Pia Uffelmann

freie Journalistin für Radio, Fernsehen und Online, Leipzig

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Radio-Beitrag

"Moby Dick" in Leipzig: Musikfilm-Premiere in der Schaubühne Lindenfels

Einen Klassiker der Weltliteratur im Ballsaal der Leipziger Schaubühne neu verfilmen? Theaterkünstler Wolfgang Krause Zwieback nutzte die Zwangspause der Pandemie für dieses Experiment. In Herman Melvilles Epos um den Rachefeldzug von Kapitän Ahab gegen "Moby Dick" werden weiße Pergament-Figuren zu Hauptdarstellern. Kreiert hat sie die Schauspielerin Corinna Harfouch, die ihnen auch ihre Stimme leiht. Aus der Expedition ins Ungewisse wurde ein sinnlich-surreales Abenteuer. Jetzt feiert der Musikfilm "Moby Dick. Die Wahl der Kwal" Online-Premiere.

Szenenbild aus Moby Dick von Wolfgang Krause Zwieback
Der experimentelle Musikfilm "Moby Dick. Die Wahl der Kwal" feiert am 15. April Online-Premiere.Bildrechte: Wolfgang Krause Zwieback
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Seit einem Jahr ist der Theater- und Filmkünstler Wolfgang Krause Zwieback völlig von der Bühne weg – und findet es super. Jetzt feiert sein in der Leipziger Schaubühne Lindenfels produzierter Musikfilm "Moby Dick - Die Wahl der Kwal" Weltpremiere im Live-Stream. Es sei ein experimenteller, kein realistischer Film, so Corinna Harfouch, die selbst Teil des Schaffensteam ist. Eigentlich als Theaterperformance geplant, musste das Projekt pandemisch neu gedacht werden, erklärt dazu Wolfgang Krause Zwieback. Im Dezember sei ihm plötzlich klar gewesen, es werde ein Film.

Sinnlich-surrealer Musikfilm

Szenenbild aus Moby Dick von Wolfgang Krause Zwieback
Szenenbild aus "Moby Dick. Die Wahl der Kwal"Bildrechte: Wolfgang Krause Zwieback

Wie dieser Musik-Film bewegt sich auch Wolfgang Krause Zwieback zwischen den Disziplinen. Der Leipziger ist Theater- und Filmkünstler, aber nicht nur. Selbst nennt Zwieback sich "sinnlichen Surrealisten". Und so ist auch der Film betitelt: Ein sinnlich-surrealer Musikfilm. Sinnlichkeit steht für ihn für das Gefühl, dass Themen nicht nur gedacht, sondern für den ganzen Körper erfahrbar gemacht werden. Unter surreal versteht er mehrdimensionale Bilderwelten, die über Naturalismus und Realismus hinausgehen.

Zu seinem fünfköpfigen Team – er selbst nennt es Expeditionsteam – gehören die singende Theatermacherin Marie Nandico, die auch das Sousaphon spielt, der Musiker Dirk Hessel sowie der multibegabte Künstler und Schnitt-Kompagnon Hael YXXS – und eben Corinna Harfouch.

Corinna Harfouch als Sprecherin und Figuren-Künstlerin

In dem Film ist die preisgekrönte Schauspielerin nicht nur Sprecherin. Für "Moby Dick. Die Wahl der Kwal" zeigt Harfouch eine neue künstlerische Seite von sich: Sie schuf die fragilen Figuren, die als Darsteller fungieren, aus weißem Pergament-Papier. Sie habe immer Phasen, so Harfouch, in denen sie mit weißem Papier arbeite und Figuren schneide, die meist zweidimensional seien. Sie schneide sie eigentlich nur für sich selbst. "Und hier war ich in so in einer Phase. Diesmal hatte ich auf einmal Pergamentpapier als Material und eben meine Scheren. Und da habe ich auf einmal so ein paar dreidimensionale Figuren gebaut."

Szenenbild aus Moby Dick von Wolfgang Krause Zwieback
Corinna Harfouchs zarte Papier-Kunstwerke bilden die Figuren im Film.Bildrechte: Wolfgang Krause Zwieback


Wolfgang Krause Zwieback ermutigte sie, weiter an den Figuren zu arbeiten und schlussendlich fanden die Wesen mit den ausdrucksstarken Gesichtern ihren Weg in den Film:

Der Film versucht das, was man unter der Haut empfindet, in Bilder zu bringen.

Corinna Harfouch

Existenzielle Fragen: Moby Dick mit Happy End?

Szenenbild aus Moby Dick von Wolfgang Krause Zwieback
Die Geschichte handelt von der Jagd eines Kapitäns auf den Wal Moby Dick.Bildrechte: Wolfgang Krause Zwieback

Die Geschichte um die Jagd auf den Wal Moby Dick brauchte etwas, bis sie zu Wolfgang Krause Zwieback vordrang. Bis sich der Stachel in seine Haut, sein Fleisch eingrub, wie er selbst sagt. Doch dann packte sie ihn. Das Buch mit seinen vielen hundert Seiten sei voller Lebens- und Existenzfragen. In der Kerngeschichte suche Kapitän Ahab den Wal Moby Dick, der ihm ein Bein abgebissen habe. Schleßlich sei er bereit, seine ganze Mannschaft zu opfern, nur um sich zu revanchieren.

Von dieser Geschichte hat sich das Team um Wolfgang Krause Zwieback forttragen lassen – und daraus einen Film voller Sinneseindrücke gemacht: Mit eigens komponierter Musik und Sirenengesängen, mit eigener und eigenwilliger Kameraführung und mit ausdrucksstarken, weißen Pergamentfiguren als Darstellern.

Diese surreale Welt wird konfrontiert mit Originalzitaten aus Moby Dick, eingelesen von Wolfgang Krause Zwieback und Corinna Harfouch. Das Ende von "Moby Dick. Die Wahl der Kwal" verläuft allerdings anders als im Buch, so Krause Zwieback. Kapitän Ahab und Moby Dick werden nicht beide im Meer verschwinden, verrät er.

Unser Schluss ist eine Art Hoffnung.

Wolfgang Krause Zwieback, Theater- und Filmkünstler

Schaubühnen-Ballsaal als Atelier und Set

Szenenbild aus Moby Dick von Wolfgang Krause Zwieback
Szenenbild aus "Moby Dick. Die Wahl der Kwal"Bildrechte: Wolfgang Krause Zwieback

Entstanden ist der Film im Ballsaal der Schaubühne Lindenfels. Dieser theatrale Ort diente weniger als Bühne denn als Atelier. In dem wunderbaren Ballsaal, so Krause Zwieback, sei die Arbeit mehrschichtig gewesen. Man habe rumexperimentieren können und Dinge aufnehmen und diese auch mal in die Orchestermuschel werfen und dann wieder abfilmen können.

Im Ballsaal sind manchmal Dinge entstanden, über die wir selber staunen. 

Wolfgang Krause Zwieback, Theater- und Filmkünstler

Der Film verspricht, sinnlich und surreal zu werden. Und er stellt die Fragen: Was ist und was darf ein Film?