Die Faktenlage ist klar, trotzdem hält das Gegenüber an seiner falschen Überzeugung fest. Das ist nervig, doch es gibt tiefere Gründe hinter dem Starrsinn. Wer sie kennt, überzeugt Skeptiker leichter.
Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) bestätigte vor wenigen Tagen, was sie im November bereits prophezeit hatte: 2016 war das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1880. Klimaforscher sind sich weitestgehend einig, dass die Erderwärmung zu einem guten Teil auf menschliches Verhalten zurückzuführen ist. Trotzdem gibt es Skeptiker, die den menschengemachten Klimawandel hartnäckig bestreiten.
Die Klimadebatte ist nur ein Beispiel für ein Phänomen, das wir auch aus dem Alltag kennen. Gebildete Menschen glauben an Dinge, die sich faktisch widerlegen lassen. Wie passt das zusammen?
Ein Team von Psychologen sagt: Das liegt daran, dass wir oft weniger an der Wahrheit interessiert sind, und mehr daran, uns unserer Identität zu versichern. Die Forscher haben Erkenntnisse sozialpsychologischer Forschung zusammengetragen und bei der jährlichen Konferenz der Society for Personality and Social Psychology vorgestellt.
„Wir haben herausgefunden, dass Menschen vor Fakten fliehen, um verschiedene Formen von Überzeugungen zu schützen; darunter ihre religiösen und politischen Überzeugungen, und sogar einfache persönliche Überzeugungen, z.Bsp., ob sie gut darin sind, den richtigen Webbrowser auszuwählen", erklärt Troy Campbell von der University of Oregon in einer Pressemitteilung.
Bestätigen, was wir eh schon annehmenSchon in den 1960er-Jahren entstanden erste Theorien zur sogenannten Bestätigungstendenz (im Englischen: confirmation bias). Sie besagt, dass wir Informationen so interpretieren, dass sie zu unseren Erwartungen und unserem Selbstbild passen. Das ist uns meist nicht bewusst.
Im Gegenteil: Wir halten uns für „neutral informiert", obwohl wir Teile der verfügbaren Informationen systematisch ignorieren oder geringer gewichten. Heute würde man sagen: Wir leben in einer selbsterschaffenen Filterblase und merken es oft nicht mal.
Wenn wir durchs Leben gehen und versuchen, die Welt um uns zu begreifen, verhalten wir uns gewissermaßen wie Laienwissenschaftler. Wir stellen Hypothesen über die Welt auf und versuchen, Informationen zu erlangen, um sie zu überprüfen.
Dieser Prozess ist jedoch an mehreren Stellen verzerrt. Die Hypothesen, die wir aufstellen, entsprechen oft Überzeugungen, die wir ohnehin schon haben, weil sie nützlich und komfortabel für uns sind. Zudem versuchen wir nicht, sie zu falsifizieren, wie es wissenschaftlichen Standards entspricht, sondern sie zu bestätigen.
Diese kognitive Tendenz führt dazu, dass wir eher „denken wie ein Anwalt", so drückt es Matthew Hornsey von der University of Queensland aus. Wenn uns Argumente für zwei konträre Positionen zur Verfügung stehen, beachten wir eher die, die wir für wahr halten wollen.
Es geht um Werte, nicht ZahlenMit anderen Worten: Einem Klimaskeptiker vorzuhalten, dass die allermeisten Daten, die uns aktuell zur Verfügung stehen, für einen menschlichen Einfluss auf die Erderwärmung sprechen, wird ihn selten umstimmen. Laut der Forscher findet sich derartige Faktenresistenz übrigens in allen politischen Lagern. Doch warum hat die Evolution uns offenbar mit einem kognitiven Mechanismus ausgestattet, der uns falsche Annahmen über die Welt machen lässt?
Nach Dan Kahan von der Yale University, einem weiteren Forscher aus dem Team, hat das mit dem Kostbarsten zu tun, das wir unser eigen nennen: unserer Identität. Eine Ich-Identität ist nicht einfach da, wir bilden sie im Laufe unsere Lebens aus. Sie liegt wie ein Fundament unter allem, was wir denken und tun. Die eigene Identität zu wahren, sich also über die Zeit und wechselnde Umstände hinweg mit sich selbst identisch zu fühlen, ist Arbeit.
Wer im Mittleren Westen der USA aufwächst, seit Kindesbeinen mit Waffen vertraut ist und ihren Besitz als Zeichen von Autonomie und Freiheit versteht, der wird deshalb wahrscheinlich ein großzügiges Recht auf Waffenbesitz unterstützen. Wenn man darauf hinweist, dass ein hoher Anteil von Waffenbesitzern eine Gesellschaft nicht sicherer macht, wird er tendenziell eher das Gegenteil behaupten - auch wenn die Zahlenlage klar ist.
Es geht ihm nicht um Statistiken und Wahrheitsfindung, es geht ihm darum, weiterhin die Person sein zu können, die er sein Leben lang war.
Natürlich können auch andere, etwa wirtschaftliche, Interessen eine große Rolle dabei spielen, wenn Menschen sich Fakten verweigern. Jedenfalls sitzen die Gründe für Faktenresistenz häufig tief. Hoffnungslos sind Debatten um Klima, Waffen und Co. deswegen aber nicht.
Auch Skeptiker lassen sich überzeugen„Anstatt die Meinungen von Menschen direkt anzugehen, sollte man die Botschaft so zuschneiden, dass sie auf ihre Motivationen ausgerichtet ist", so Hornsey. Ein Konservativer, der den Klimawandel abtut, sieht vielleicht seinen alten Lebensstil in Gefahr, er möchte sich keinen Verboten ausgesetzt sehen. Versucht man, ihm klarzumachen, wie die Erderwärmung genau diesen Lebensstil gefährdet, wird er sich unter Umständen offener zeigen.
Nicht umsonst finden etwa Grüne und CDU-Anhänger zunehmend eine gemeinsame Basis, wenn es um Umweltschutz geht. Es gibt gute wissenschaftliche Argumente dafür, die Natur zu erhalten - und es entspricht auch konservativen Vorstellungen, die Heimat zu bewahren.