Philipp Fritz

Journalist, Warschau, Berlin

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Artikel

Polen und Donald Trump: Warschaus Flirt mit Washington

Staatsbesuch in Polen: Donald Trump mit Melania und der polnische Präsident Andrzej Duda mit seiner Frau Agata. "Amerika liebt Polen", sagte der US-Präsident. | Quelle: AFP/Getty Images

Unter Donald Trump sind die polnisch-amerikanischen Beziehungen aufgeblüht. Beide Regierungen haben eine nationalistische, populistische Agenda. Doch der Flirt mit dem Nato-kritischen Trump wirkt seltsam. Nun ist von einem „Fort Trump" in Polen die Rede.

Selten ist der Platz vor dem Denkmal für den Warschauer Aufstand in der polnischen Hauptstadt so gut besucht. Es ist ein warmer Julitag 2017, Donald Trump und seine Frau Melania sind auf Staatsbesuch in Polen. Der amerikanische Präsident ist es nicht gewöhnt, dass ihm während seiner Auslandsreisen derart viel Sympathie entgegengeschmettert wird. „Wir sind hergekommen", sagt er, „um eine wichtige Nachricht zu überbringen: Amerika liebt Polen." Tosender Applaus.

An den Seiten des Platzes, vor dem Trump seine Rede hält, schwenken Besucher polnische und amerikanische Fähnchen. Der US-Präsidenten macht viele Pausen, jedes Mal: lautes Klatschen. „Polen hat nicht nur diese Region bereichert, die polnischen Amerikaner haben auch die USA bereichert."

Das Verhältnis zwischen Warschau und Washington ist traditionell eng, doch unter der Führung von Donald Trump erleben die Beziehungen einen neuen Frühling. In Polen setzt man voll auf die Amerikaner, das Verhältnis zu Brüssel kühlt unterdessen weiter ab.

Die rechtskonservative PiS-Regierung ist mit der EU-Kommission gleich auf mehreren Feldern auf Konfrontationskurs. Es wird gestritten über die Justizreform, über Einschränkungen der Meinungsfreiheit und den Abbau des Rechtsstaats. Da kommen die salbungsvollen Worte aus dem Mund des mächtigsten Mannes der Welt gerade recht.

In Brüssel beobachtet man indes argwöhnisch, dass sich Warschau weiter von den Europäern entfremdet. Doch wie weit ist die Regierung in Polen bereit zu gehen, um ihre Interessen zu verfolgen? Ist man bereit, für ein gutes Verhältnis zu Donald Trump sogar die engsten europäischen Partner zu verprellen?

Michal Baranowski steht vor einer weiß-grauen Weltkarte in seinem Konferenzraum und erläutert, was die Polen derzeit umtreibt: Angst. Der Chef des Warschauer Büros der US-Stiftung German Marshall Fund (GMF) zählt zu den herausragenden und am besten vernetzten Experten in Sachen polnisch-amerikanische Beziehungen. „Wirtschaft, in zunehmendem Maß Energiewirtschaft, und kulturelle Bindungen spielen aus polnischer Sicht natürlich auch eine Rolle", sagt Baranowski WELT.

„Aber der Aspekt Sicherheitspolitik dominiert seit jeher." Warschau traut vor allem den Amerikanern zu, dass sie zusammen mit Polen einer möglichen russischen Aggression etwas entgegensetzen können. Von den Europäern verspricht sich Warschau indes wenig bis keinen Schutz. Zwar verfolgt man interessiert die Idee einer europäischen Armee, wie sie derzeit vor allem von Deutschland und Frankreich vorangetrieben wird.

Aber den Polen geht all das nicht schnell genug. „Wir stehen akut vor einer sicherheitspolitischen Herausforderung, und eine europäische Armee wäre ein über Jahrzehnte zu realisierendes Projekt", erläutert Baranowski. Seit dem russisch-georgischen Kaukasuskrieg 2008, spätestens aber seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014, ist die „russische Gefahr" ein Dauerthema in Polen.

Seit dem Ende des Staatssozialismus war eine Einbindung in westliche Sicherheitsstrukturen das erklärte Ziel der Regierungen in Warschau, um sich aus russischem Einfluss zu lösen und nicht in diesen zurückzufallen. 1999 trat Polen der Nato bei.

„Taten zählen, nicht Twitter"

Polen beteiligte sich seither an mehreren US-geführten Militäreinsätzen in Afghanistan und im Irak mit mehreren Tausend Soldaten, auch mit Spezialeinheiten. Das strategische Kalkül war es, in ein „Sicherheitskonto" einzuzahlen, um von den USA als privilegierter Partner behandelt zu werden und als Gegenleistung auf eine dauerhafte Präsenz der Amerikaner in Polen setzen zu können.

Was aber verspricht sich Washington von dieser Allianz mit den Osteuropäern? Für die Amerikaner ist Polen wichtig, da es die Ostflanke des Nato-Bündnisses sichert. Dass Donald Trump die Nato auch schon mal als „obsolet" bezeichnete, wurde in Warschau zwar mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, grundsätzlich gilt für die politische Klasse aber: „deeds, not Tweets" - „Taten, nicht Kurznachrichten auf Twitter".

Und an Bekenntnissen seiner Loyalität zu Polen lässt es Trump nicht mangeln: Im Januar 2017 wurden erstmals US-Soldaten nach Polen verlegt, die im Dreimonatsrhythmus rotieren. Im Mai 2017 kündigte Trump schließlich an, die „European Detterence Initiative" (EDI), eine US-Präsenz in Europa, um weitere 1,4 Milliarden Dollar auszubauen. In Warschau war man selig.

Präsident Andrzej Duda bewies strategisches Geschick, indem er dem als eitel bekannten US-Präsidenten gar in Aussicht stellte, eine dauerhafte Stationierung amerikanischer Soldaten könne „Fort Trump" heißen. Im März 2019 soll ein Papier des Pentagon Optionen für eine solche Stationierung ausloten. Eine Quelle mit Zugang zur polnischen Regierung betätigte WELT, dass „Fort Trump" eine durchaus realistische Option sei.

‚Fort Trump' kommt auf jeden Fall", sagt Matthew Tyrmand WELT. Der polnisch-amerikanische Publizist gilt als Vordenker der Neuen Rechten, er berät die Regierung in Warschau und Washington und sieht viele Parallelen. „Beide Regierungen haben von ihrer Wählerschaft das gleiche Mandat bekommen und zwar für eine nationalistische, populistische Agenda gegen eine ‚globalistische', supranationale Regierungsführung." Kein Wunder also, dass die Beziehungen besser denn je seien.

Wer wissen wollte, wie Donald Trump sich das Verhältnis zu engen europäischen Verbündeten vorstellt, der konnte das schon 2016 während seines Wahlkampfs erfahren. Damals wie heute ging es um Deals: Was brauche ich von euch, was könnt ihr mir dafür geben?

Zehn Millionen Polen in den USA

„Wir engagieren uns sehr für die Sache eines starken Polens, wir engagieren uns sehr. Auch für die Sache eines starken Osteuropas als ein Bollwerk der Freiheit und Sicherheit", so Trump während eines Treffens 2016 in Chicago mit Vertretern der Polonia, also der im Ausland lebenden Polen. Er betonte damals noch, dass ihm die Nato am Herzen liege, er viele polnische Freunde habe und er auf die gesamten Stimmen der sogenannten „Polish Americans" hoffe.

Trump hatte schlicht die Bedeutung der polnischen Diaspora im US-Wahlkampf begriffen. Beinahe zehn Millionen Polen oder Amerikaner polnischer Herkunft leben in den USA, die meisten von ihnen in New York oder in Staaten des Mittleren Westens wie Wisconsin, Michigan oder Indiana, die Trump dann schließlich auch knapp gewinnen konnte.

Einen nicht unerheblichen Anteil daran hatten die Auslandspolen, die mit großer Mehrheit für ihn stimmten. Traditionell wählen sie in den USA republikanische Kandidaten; in ihrer polnischen Heimat fühlen sie sich dem nationalkonservativen Lager nah. Gib du uns, so geben wir dir.

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