Philipp Fritz

Journalist, Warschau, Berlin

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Artikel

Pressefreiheit in Polen: Grundsätzliches Misstrauen

Polen demonstrieren im Januar in Berlin gegen das umstrittene Mediengesetz der national-konservativen Regierung. | Foto: imago/Rolf Zöllner

Dass die polnische Regierung seit der gewonnenen Parlamentswahl vom Oktober 2015 versucht, ihren Einfluss auf die Medien im Land auszuweiten, hat seinen Niederschlag auch in der Rangliste der Pressefreiheit gefunden. In dem von Reporter ohne Grenzen erstellten Ranking ist Polen im Vergleich zum Vorjahr um satte 29 Plätze auf Rang 47 abgestürzt - so drastisch wie kein anderes Land.

Die regierende PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) hat ein neues Mediengesetz verabschiedet, das ihr erlaubt, Positionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen direkt zu besetzen, etliche Journalisten wurden entlassen. Kritiker sehen darin die Gefahr, dass sich auf diese Weise ein Staatsfernsehen entwickeln könnte.

Eine Informationssperre

Aber auch indirekt zeigen die Leute von Parteichef Jaroslaw Kaczynski, dem Strippenzieher und starken Mann hinter Premierministerin Beata Szydlo und Präsident Andrzej Duda, wer in Warschau das Sagen hat. Kritische Journalisten machen die Erfahrung, dass es für sie immer schwieriger wird, Interviewtermine etwa in Ministerien zu erhalten; auf Auslandsreisen von Regierungsvertretern kommen vor allem ihnen wohlgesonnene Journalisten mit.

Und selbst die hätten es nicht leicht, sagt Bartosz Wielinski von der Gazeta Wyborcza, der größten Tageszeitung Polens, die die Politik der PiS besonders kritisch kommentiert. „Ich bekomme den Eindruck", so Wielinski weiter, „dass hier eine Informationssperre errichtet wurde." Noch nie seien polnische Journalisten so schlecht darüber informiert worden, was eine Regierung eigentlich tut.

In der vergangenen Woche sorgte in Polen die Entlassung von Jacek Kurski für Verwunderung. Der stramm nationalkonservative Journalist war vor einigen Monaten erst zum Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ernannt worden. Er galt als PiS-treu. Nun hat der neu geschaffene Medienrat ihn abgesetzt. Man kann dies als Paranoia der Regierenden deuten.

Auf private Medienhäuser übt die PiS ihren Druck subtiler aus. In Produkten des Agora-Verlags, zu dem auch die Gazeta Wyborcza gehört, haben staatliche Unternehmen ihr Anzeigengeschäft zurückgefahren. In Tankstellen des Orlen-Konzerns, an dem der polnische Staat beteiligt ist, wird die Gazeta Wyborcza verspätet und schlecht sichtbar in die Regale gelegt.

Die polnische Medienlandschaft seit dem Ende des Staatssozialismus ist traditionell polarisiert, das Verhältnis zwischen liberalen und rechtskonservativen Journalisten nicht selten von offener Feindschaft geprägt. Bestimmte politische Parteien bevorzugen die jeweils eine oder andere Seite. Auch die vorherigen wirtschaftsliberalen Regierungen von Ewa Kopacz und dem amtierenden Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk hatten ihre Lieblinge. Für Wielinski besteht jedoch eine neue Qualität darin, dass die PiS-Partei den Journalisten grundsätzlich misstraue. Und allem Anschein nach trifft es nicht nur Polen, die sich kritisch mit den „dobre zmiany", den „guten Veränderungen" der vergangenen Monate, wie die polnische Opposition ironisch sagt, auseinandersetzen.

Warschaus langer Arm

Der österreichische Autor und Journalist Martin Pollack ist nun der erste Ausländer, der den neuen langen Arm Warschaus zu spüren bekommt. Im Februar dieses Jahres führte das Polnische Institut in Wien eine Veranstaltungsreihe ein, die Pollack moderieren sollte. Jedoch hatte sich dieser zuvor in seinen Texten kritisch gegenüber den aktuellen Entwicklungen in Polen geäußert, etwa hatte er die Eingriffe seitens der Regierungsmehrheit in die Arbeit des Verfassungsgerichts angeprangert.

Der 72-Jährige ist eigentlich ein angesehener Mann in Polen. Er hat mehrere Bücher über das Land geschrieben, Literaturpreise erhalten und ist nicht zuletzt deswegen anerkannt, weil er in einem Buch die Geschichte des eigenen Vaters, eines SS-Sturmbannführers, aufgearbeitet hat: „Der Tote im Bunker. Bericht über meinen Vater". 2003 noch erhielt Pollack den Verdienstorden der Republik Polen. Nun soll er zum Geächteten werden. Der neue Staatsminister im Außenministerium, Jan Dziedziczak, hat die Fortführung der Wiener Reihe unterbunden und Pollack zur Persona non grata erklärt. Pollack soll in Polen also nicht mehr willkommen sein.

Eine politische Posse

„Natürlich macht mich die Sache betroffen", sagt Pollack. „Aber es kommt nicht unerwartet, ich habe mich mit meiner Kritik weit aus dem Fenster gelehnt." Pollack hat Erfahrungen mit widerborstigen Regierungen, bereits in den 1980er-Jahren erregte er den Unmut der polnischen Machthaber. Er durfte für neun Jahre nicht ins Land reisen. Eine solche Konsequenz dürfte der aktuelle Fall nicht haben. „Für mich ist das eine Posse", sagt Pollack über den derzeitigen Wirbel um seine Person. Im September wird er wieder nach Polen fahren und sich dort mit verschiedenen Persönlichkeiten treffen. Terminabsagen hat er noch keine bekommen. Und auch ein Gesprächsabend in Wien am Burgtheater steht an, und zwar mit der Autorin Olga Tokarczuk.

Frei nach Karl Marx ereignet sich die polnische Geschichte nach der Tragödie nunmehr als Farce. Kaum jemand verteufelt die polnischen Kommunisten so oft und lautstark, wie die Vertreter und Anhänger der PiS, und doch handeln sie, wie der Fall Pollack beweist, ganz ähnlich.

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