An einem Abend im Dezember 1977 reicht es Stefan König. Zusammen mit Freunden sitzt er an einem langen Esstisch in einer Altbauwohnung in Berlin-Charlottenburg, sie essen, rauchen und reden. Die Berliner kennen sich vom Fußballspielen, aus Kneipen, von der Hochschule. Sie verstehen sich als „Spontis": Zu jung für die 68er, zu undogmatisch für kommunistische Gruppen. Sie organisieren Uni-Streiks, gehen auf Demos. Aber sie haben bislang vor allem die Erfahrung gemacht zu scheitern. Denn die Auseinandersetzung zwischen Staat und RAF lässt keinen Raum für ihre Themen.
Der Deutsche Herbst liegt hinter ihnen. Die Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, die Entführung der „Landshut", die Suizide der RAF-Mitglieder in Stammheim. Die Bild-Zeitung schreibt im Oktober: „Wer jetzt noch nicht bereit ist, Unbequemlichkeiten seines Freiheitsspielraums freiwillig in Kauf zu nehmen, verliert seinen moralischen Anspruch."
„Macht doch euren Dreck alleine", sagen sich die Spontis an diesem Abend. „Wir verweigern uns, verlassen das Land." Wirklich auswandern wollen sie nicht, es geht ihnen um die Haltung: Sie wollen nicht weiter anlaufen gegen die Verhältnisse, sondern ihr eigenes Ding machen. Aber wie? König hat eine Idee. „Wir reisen zum Strand von Tunix!"
Stefan König, 22, lebt zu dieser Zeit in einer Kreuzberger Wohngemeinschaft. Er studiert Jura und Ethnologie und trägt gern eine regenbogenfarbene Latzhose. Ein paar Tage nach dem Treffen in Charlottenburg skizziert er zu Hause auf seinem Bett einen Aufruf.
„UNS LANGT'S JETZT HIER!
Der Winter hier ist uns zu trist, der Frühling zu verseucht, und im Sommer ersticken wir hier. Uns stinkt schon lange der Mief aus den Amtsstuben, den Reaktoren und Fabriken, von den Stadtautobahnen. Die Maulkörbe schmecken uns nicht mehr und auch nicht mehr die plastikverschnürte Wurst. Das Bier ist uns zu schal und auch die spießige Moral. Wir woll'n nicht mehr immer dieselbe Arbeit tun, immer die gleichen Gesichter zieh'n. Sie haben uns genug kommandiert, die Gedanken kontrolliert, die Ideen, die Wohnung, die Pässe, die Fresse poliert. Wir lassen uns nicht mehr einmachen und kleinmachen und gleichmachen.
WIR HAUEN ALLE AB!
... zum Strand von Tunix."
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