Eine Stunde nach Schließung der Wahllokale geht René Wilke über den Marktplatz, neben ihm Kameras, Mikrofone, Zeitungsreporter, sein Sprecher, sein Wahlkreismitarbeiter, Linksparteichef Bernd Riexinger, hinter ihm eine Traube von dreißig Freunden, Fans, Schaulustigen, und bleibt stehen, drei Meter vor dem Rathaus von Frankfurt an der Oder.
„Wir sind zu viele", sagt er und dreht sich um. „Das sieht aus wie ein Siegesmarsch. Ich will kein Signal, dass wir hier mit Massen ins Rathaus einfallen. Können ein paar von euch ins Café zurückgehen?" Dann geht er durch die Plexiglastüren ins Rathaus, die Kameraleute filmen von vorn, zwanzig Leute hinter ihm her, nur ein paar kehren zurück ins Eiscafé Bellini, wo am Sonntagabend die Wahlparty der Linken und Grünen läuft.
Vor einer Woche hat Frankfurt einen neuen Bürgermeister gewählt: René Wilke, aufgestellt von Linkspartei und Grünen. Mit 33 ist er der jüngste Oberbürgermeister Brandenburgs, und er ist der einzige der Linkspartei im Land seit 1990. Der junge Wilke, oder René, wie ihn hier alle nennen, um die beiden Kandidaten besser zu unterscheiden, besiegte den amtierenden Bürgermeister Martin Wilke, den alten Wilke, Martin, einen parteilosen Konservativ-Liberalen, in der Stichwahl. 62,5 Prozent.
Das alles passierte im Bundestagswahlkreis von Alexander Gauland, wo die AfD bei der letzten Bundestagswahl 22 Prozent holte und schon 2014 bei der Landtagswahl 19 Prozent. Während in diesen Wochen in Cottbus, anderthalb Autostunden entfernt, Nazis und Rechte gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen, spielte das Thema im Bürgermeisterwahlkampf in Frankfurt kaum eine Rolle. Der AfD-Kandidat, Wilko Möller, kam nicht in die Stichwahl.
Was ist da passiert?
Zum Original