Über das rassistische Erbe der Frauenbewegung schreibt die Autorin und Aktivistin Rafia Zakaria in ihrem nun auf Deutsch erschienenen Buch „Against White Feminism“. Warum weißer Feminismus sie nervt – und wie es anders geht.
USA, Winter 2012. Rafia Zakaria arbeitet als Anwältin in einem Zentrum für Opfer häuslicher Gewalt. Es ist eine dieser Wochen, in denen das Mail-Postfach überquillt und das Telefon ständig klingelt. Trotzdem geht Zakaria ran, als ein Freund sie anruft und fragt: "Hey, eine Bekannte von mir organisiert dieses feministische Charity-Event, willst du da nicht über deine Arbeit und Pakistan erzählen, es ist ja für einen guten Zweck!" Zakaria sagt zu, was sie wenig später bereut: "Als ich ankam, wurde ich gefragt: 'Was haben Sie denn an? Wo ist denn Ihre traditionelle Tracht?' Ich hatte einfach meine ganz gewöhnlichen, westlichen Klamotten an. Und als ich reingegangen bin, habe ich realisiert: Sie hatten zig Frauen aus verschiedenen Ländern eingeladen und die sollten dann in ihrer 'einheimischen' Kleidung an Tischen stehen und Nippes verkaufen. Mir wurde wortwörtlich gesagt, ich solle die Aufmerksamkeit der - übrigens weißen - Besucherinnen erregen und sie zum Spenden bewegen. Es war so demütigend! Ich kam mir vor wie ein Tier in einem Zoo!"
Bürgerin zweiter Klasse in der Frauenbewegung?
Zakaria ist in diesem Moment fassungslos. Wütend. Aber auch: wie gelähmt, sagt sie. Und genau das ist der Grund, warum sie nun ein Buch geschrieben hat. Eine Streitschrift mit dem Titel: "Against White Feminism": "In dem Buch wollte ich die Dinge sagen, die ich gerne in all den Momenten entgegnet hätte, in denen mir als nicht-weißer, muslimischer Frau das Gefühl gegeben wurde, ich sei in der Frauenbewegung eine Bürgerin zweiter Klasse. Denn natürlich habe ich diese Momente in Gedanken immer und immer wieder durchgespielt. Deshalb wollte ich ein Buch schreiben, das all das enthält, was ich in diesen Momenten gern gesagt hätte. Und genau das habe ich gemacht."
White Feminism meint ein System, das Menschen unterdrückt
In ihrem Buch schildert Zakaria beispielsweise, dass von ihr als muslimischer Frau aus Pakistan stets erwartet werde, traurige Geschichten zu erzählen. Über die besonders brutalen Männer aus ihrer Heimat, ihre ach so strenge Religion, ihre als fehlerhaft und "fremd" wahrgenommene Kultur. Weiße Feministinnen könnten sich dann als Retterinnen aufspielen, Spenden überweisen und Lösungen präsentieren. Denn: Warum die Betroffenen fragen, was sie wollen und brauchen, wenn man es doch selbst am besten weiß? Diese Denkweise, so Zakaria, ist "White Feminism" - weißer Feminismus: "Wenn ich von 'weißem Feminismus' spreche, meine ich damit nicht eine weiße Frau, die Feministin ist. Weißsein oder weiße Privilegien sind ein System, das Menschen unterdrückt. Auch die Frauenbewegung ist durchsetzt von der Vorstellung, Weiße seien anderen überlegen. Wenn wir den Feminismus retten und ihn in eine inklusive Bewegung verwandeln wollen, müssen wir deshalb schauen, an welchen Stellen Feminismus von der rassistischen Ideologie weißer Vorherrschaft geprägt ist."
Mit Polemik gegen Polemik
Zakaria fragt nach dem rassistischen Erbe der Frauenbewegung, nach Kontinuitäten: Sie zeichnet zum Beispiel nach, wie weiße Frauen in britische Kolonien kamen, um Mädchenschulen zu errichten und sich echauffierten, hinduistische Frauen seien in ihren Saris nur unzureichend verhüllt. Heute, schreibt Zakaria, ärgerten sich europäische Feministinnen wiederum nicht über fehlende Verhüllung, sondern über muslimische Frauen, die ihren Körper verhüllen wollten. Im deutschen Kontext fällt einem da beim Lesen Alice Schwarzer ein, die das Kopftuch schon mal als "Zeichen der Unterwerfung von Frauen" und "Flagge der Islamisten" bezeichnet.
Zakarias Gegenrede zu solchen Unterstellungen, Vorurteilen und Ausschlüssen im Feminismus ist übrigens kein Stück weniger polemisch. WeißeFeministinnen klingen bei ihr manchmal wie die Figuren aus der Serie Sex and the City, allerdings ohne Selbstironie: Feministische Freiheit, heißt es etwa an einer Stelle, sei für weiße Feministinnen neben Shoppen und Führungspositionen, Zitat, "im Wesentlichen und ausschließlich die Freiheit, Sex zu haben."
Höchste Zeit für einen Wandel
Aber vielleicht braucht es genau diese Zuspitzungen. Denn die Fragen, die Zakaria aufwirft, sind nicht neu. "Ain't I a woman?" - "Bin ich denn keine Frau?", soll die ehemalige Sklavin Sojourner Truth schon 1851 den Suffragetten entgegengeschleudert haben, die sich zwar für das Frauenwahlrecht, aber nicht gegen Rassismus und Sklaverei einsetzten. Und so schreibt Zakaria folgerichtig gleich am Anfang ihres Buches: "Dies sind keine neuen Vorschläge, aber sie werden mit erschreckender Hartnäckigkeit ignoriert." Höchste Zeit also für einen Wandel: "Es wurde immer davon ausgegangen, dass Feministinnen sich nicht mit Rassismus innerhalb der Frauenbewegung auseinandersetzen können, weil das die Bewegung spalten würde. Und ich würde sagen: 'Doch, doch doch! Wir können diese Debatte führen.' Und müssen es sogar. Denn nur wenn wir uns diesen unangenehmen Fragen stellen, haben nicht-weiße Frauen, die aktuell nicht am Drücker sitzen, den Eindruck, sie gehören dazu. Und nur so kommen wir zu einer wirklichen Solidarität zwischen Frauen."