„Die Zerstörung der CDU" wurde 16 Millionen Mal angeklickt und hat Vieles bewirkt, direkt und indirekt. Expert*innen sind sich einig, dass das „Rezo-Video", gemeinsam mit den Fridays For Future und den Artikel-13-Protesten, das Unions-Ergebnis der Europawahl beeinflusst hat - zumindest bei jungen Menschen. Der Rezo-Effekt. So kam die CDU bei den 18-24-Jährigen auf lediglich 13 Prozent bei der Europwahl. Bei der Bundestagswahl 2017 lag sie in dieser Altersgruppe mit 25 Prozent der Stimmen noch vor allen anderen Parteien.
Natürlich kann man die Wahlen nicht hundertprozentig miteinander vergleichen, aber es ist ein starkes Indiz dafür, dass sich die Meinung junger Menschen über die CDU geändert haben könnte. Zumindest als kurzfristiger Effekt. Tatsächlich offenbarten die politischen Reaktionen auf das Video auch viel über das Selbstverständnis der CDU. So brachte Annegret Kramp-Karrenbauer den Gedanken an eine Zensur solcher Videos vor einer Wahl vor. Wenige Tage zuvor hatte Rezo ein weiteres Video veröffentlicht, in dem Dutzende Youtuber*innen dazu aufriefen, die CDU, CSU, AfD und SPD nicht zu wählen.
Das sei Meinungsmache kurz vor einer Wahl, schimpfte sie. Dass AKK selbst an anderer Stelle sehr wohl auch Meinung macht, (seichte „Witze" über Intersexuelle und die Unterschicht beim Karneval zum Beispiel), schien da nicht zu gelten. Dann gab es noch eine bereits aufgenommene Video-Antwort vom CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor - die aber im geheimen Computerkeller der Konservativen unter Verschluss gehalten wird. Warum, weiß niemand. Der Satiriker Kurt Krömer verhörte Amthor in seiner neuen Show. Wer ihm denn Angst gemacht habe, das Video zu veröffentlichen? Amthor wackelte zwar, aber fiel nicht um. Er hat offenbar gute Gründe, nicht zu verraten, wer in der Partei die Veröffentlichung verhinderte. Oder warum.
Er beobachtet aber zumindest teilweise eine Veränderung im Umgang mit dieser neuen Öffentlichkeit: „Spätestens seit dem Video ist vielen Politiker*innen bewusst, dass relevante Gatekeeper heute keinen Professorentitel, Redakteursjob im Feuilleton oder weißes Haar benötigen, um nachhaltig Einfluss auf die politische Agenda zu nehmen." Eine Entwicklung, die von den Rechten bereits längst verstanden wurde. Sie nutzen dabei zwar schamlos alle Hebel der Provokation aus - aber können so viele ihrer Botschaften in Medien und auch in der Gesellschaft platzieren. Auch bei jungen Menschen, weil sie auf deren Kanälen aktiv sind.
Und wie steht es um den Kosmos Youtube selbst? Hat das Video dort etwas verändert? Immerhin gibt es dort mittlerweile auch sehr viele Menschen, die unter dem Titel „Die Zerstörung..." ähnliche Videos veröffentlichen - oder das zumindest vorgeben. Ist das deutschsprachige Youtube also auch ein Platz, an dem eine neue kritische Öffentlichkeit bereits existiert und weiter heranwächst?
Martin Fuchs sagt, er nehme eine verstärkte Politisierung der Youtuber*innen-Szene war, obwohl junge Youtuber*innen immer schon auch politisch gewesen seien, eben nur nicht parteipolitisch: „So viele Videos, wie aktuell in denen Influencer*innen auf Politiker*innen treffen, habe ich zuvor noch nie gesehen." Youtube habe aber auch bei Politiker*innen an Relevanz zugelegt, auch wenn viele verstanden haben, dass sie dort selber keinen Erfolg haben werden. „Es fehlen Konzepte und Ressourcen für eigene erfolgreiche Formate. Die Chance zu scheitern ist sehr groß." Die Politiker*innen selbst wollen offenbar über das Rezo-Video weiterhin ungern reden. Die CDU ließ einen Fragenkatalog von jetzt dazu unbeantwortet.