Patrick Gensing

Journalist, Redakteur, Autor

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Ukraine-Krise spaltet Europas Ultra-Nationalisten

Ukraine-Krise spaltet Europas Nationalisten

Die Krux mit der Krim In der Ukraine haben Ultra-Nationalisten maßgeblich den Umsturz unterstützt. Eigentlich ein Grund zum Jubeln für Rechtsextreme in Europa. Doch viele von ihnen halten gegen den verhassten Westen ideologisch zu Russland.

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Dass die rechtsextreme Swoboda aus der Ukraine Kontakte zu Neonazis in Europa unterhält, ist nicht neu: Bereits im Mai 2013 hatte die NPD stolz vermeldet, dass "Kameraden" aus der Ukraine zu Gast bei der Landtagsfraktion in Dresden gewesen seien und dass man weiter eng kooperieren wolle.

In Schweden bildeten Neonazis sogar eine Art Kampftruppe mit dem Namen "Ukraine-Freiwillige" und reisten nach Kiew, um ihre "Kameraden" beim Umsturz zu unterstützen. Auch aus anderen europäischen Staaten sollen Rechtsextreme in Kiew mitgemischt haben.

Zwischen Theorie und Praxis

Viele Nationalisten in Europa folgen der zunächst harmlos klingenden Parole "Für ein Europa der freien Völker". Die Idee dahinter: Wenn alle Völker selbstbestimmt leben und ihren jeweiligen Nationalismus ausleben, herrsche Frieden auf Erde. Doch Theorie und Praxis sind zwei paar Schuhe, in der Realität werden viele Konflikte durch Nationalismus erst angeheizt. So ist beispielsweise die Swoboda in der Ukraine strikt antirussisch orientiert. Auf ihren Seiten im Netz stellen sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin als Ratte dar, Russen gelten hier als feige und verschlagen. Auf der anderen Seiten stehen russische Nationalisten, die Teile der Ukraine als natürlichen Teil von Großrussland sehen.

Dieser Widerspruch stellt auch die NPD vor ein Dilemma, denn sie paktiert mit Rechtsextremen aus der Ukraine, fordert aber gleichzeitig in ihrem Programm zur Europawahl: Insbesondere die Zusammenarbeit mit Russland solle verbessert werden. Die Hauptfeinde der extremen Rechten in Deutschland sind die USA, Israel und die westliche Demokratie an sich - und so fordert die NPD, die EU-Politik in Osteuropa dürfe nicht mehr "von amerikanischen Interessen diktiert" werden. Generell solle man "weg von der transatlantischen Fixierung". Und: "Wir Nationaldemokraten sind gegen einen multikulturellen Bundesstaat in Europa - genau wie Russlands Präsident Putin."

Die Achse Berlin-Moskau

Eine antiwestliche Achse zwischen Berlin und Moskau taucht in der Ideengeschichte der extremen Rechten immer wieder auf. Auch der NPD schwebt ein eurasisches Konzept vor, sie fordert eine dauerhafte, stabile und intensive Kooperation mit Russland - "mit dem Fernziel einer gesamteuropäischen Wohlstandszone".

Dieses Konzept hat der russische Publizist Alexander Dugin in den vergangenen Jahren maßgeblich verbreitet. Der Nationalbolschewist fordert bereits seit Langem, dass Teile der Ostukraine sowie die Krim an Russland angeschlossen werden. Dugin ist in Russland keineswegs isoliert: Er war Berater des Dumapräsidenten, veröffentlichte zahlreiche Bücher und kommt regelmäßig in großen Medien zu Wort. Dugin hat es geschafft, verschiedene ideologische Elemente aus Bolschewismus, Faschismus und Monarchismus miteinander zu kombinieren und beispielsweise mit Globalisierungskritik einen modernen Anstrich zu verpassen. Bei Rechtsextremen in Europa ist er hoch angesehen; er nimmt an Konferenzen teil und einem NPD-nahen Magazin erläuterte Dugin in einem Interview, warum der Westen Putin hasse.

Ultra-Nationalisten stehen hinter Putin

Dass in der Ukraine nun eine prowestliche Regierung an der Macht ist, an der sich die Swoboda beziehungsweise der Rechte Sektor beteiligt, schmeckt den Verfechtern des eurasischen Projekts natürlich nicht. Auf einer Konferenz in Rom, an der am 1. März rechtsextreme Redner aus Italien, Großbritannien, Spanien, Griechenland und Deutschland teilnahmen, stellte der Chef der British National Party (BNP), Nick Griffin, fest: Nicht nur in der Ukraine-Krise sondern bei jeder Gelegenheit stünden die Nationalisten nicht auf der Seite des Westens, sondern auf der Putins.

Während also Neonazis mit antirussischen Nationalisten in Kiew paktieren, wird gleichzeitig Russlands Präsident Putin als Bündnispartner gegen den Westen hofiert - ein unauflöslicher ideologischer Konflikt. Daher überrascht es kaum, dass die NPD zur Krim-Krise schweigt. Lediglich der Landesverband Bayern veröffentlichte eine Stellungnahme, in der "die Wühlarbeit des Westens in der Ukraine" und die "Unterstützung für pro-westliche und anti-russische Kräfte" kritisiert wird. Verschwiegen wird, dass die NPD sich noch 2013 selbst auf die Seite der Swoboda gestellt hatte.

Die Internationale der Nationalisten

Im Europaparlament wollen Rechtsextreme unter anderem aus Griechenland, Italien, Spanien, Skandinavien, Großbritannien und Deutschland nach der Wahl im Mai ein Bündnis schmieden, um die Privilegien einer Fraktion zu genießen. Da könnte die Krux mit der Krim für die europäischen Ultra-Nationalisten konkrete Konsequenzen haben, die Positionen der einzelnen Parteien zur Ukraine-Krise bergen reichlich Konfliktpotential. In Netz-Foren wird der NPD bereits Verrat an der Swoboda vorgeworfen.

Es wäre ohnehin nicht das erste Mal, dass eine nationalistische Fraktion im Europaparlament an der eigenen Ideologie scheitern würde. Bereits 2007 war ein Bündnis geplatzt, da rumänische Rechtsextreme meinten, italienische Neofaschisten hätten das rumänische Volk beleidigt. Nationalisten sind und bleiben eben Nationalisten - auch wenn sie im Europaparlament sitzen.

Stand: 12.03.2014 09:42 Uhr

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