Patrick Gensing

Journalist, Redakteur, Autor

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DFB versteckt antifaschistische Parole

DFB versteckt antifaschistische Parole

PR-Desaster am Millerntor Eigentlich sollte sich die Nationalmannschaft am Hamburger Millerntor nur auf das Spiel gegen Polen vorbereiten. Doch da der DFB eine antifaschistische Parole verstecken ließ, brach ein Sturm der Entrüstung los.

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Dass der FC St. Pauli tatsächlich noch immer der "etwas andere Verein" ist, so wie es das Klischee seit Ende der 1980er-Jahre behauptet, beweist das Präsidium des Hamburger Zweitligisten. Mit deutlichen Worten kritisieren die St.Paulianer den DFB.

"Mit großem Unverständnis" habe man es zur Kenntnis genommen, dass der DFB beim Training der Nationalmannschaft den Schriftzug "Kein Fußball den Faschisten" an der Gegengerade des Millerntor abhängen ließ. Dies stehe "im deutlichen Widerspruch zu all den Aktionen, die der DFB in der Vergangenheit gegen Fremdenhass, Diskriminierung und Rassismus durchgeführt" habe.

Und mit Blick auf das Testspiel am Abend gegen Polen kommentierte der FC St. Pauli: "Gerade mit Blick auf die deutsch-polnische Geschichte wäre der komplette Schriftzug 'Kein Fußball den Faschisten' eine klare Botschaft gewesen, die auch bei unseren polnischen Gästen auf positive Resonanz gestoßen wäre."

DFB-Elf kickt vor Spruch "Kein Fußball"

Zuvor war im Netz ein Sturm der Kritik über den DFB hereingebrochen. Rasend schnell verbreiteten sich Bilder vom Training der Nationalmannschaft am Millerntor - im Hintergrund die teilweise verhängte Parole. Lediglich "Kein Fußball" war noch zu lesen, "den Faschisten" wurde hinter einer grünen Plane versteckt.

Offenbar nahm der DFB die Kritik zunächst nicht sonderlich ernst. Gestern Abend äußerte sich der weltgrößte Fußballverband lediglich kurz via Twitter und verkündete, das Millerntor sei "neutralisiert" worden. Das bedeute, es sei von "frei von Werbung" und auch von "politischen Äußerungen".

"Sport ist nicht unpolitisch"

Eine Erklärung, die weitere Kritik nach sich zog. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth erklärte, die Behauptung, Sport sei unpolitisch, "ist und bleibt absurd". Gerade der DFB habe in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, welch gesellschaftspolitische Dimension der Fußball habe. "Deswegen ist es irritierend, wenn der DFB nun während des Trainings der Nationalmannschaft den Spruch 'Kein Fußball den Faschisten' mit genau dieser Begründung abhängen lässt - und das kurz vor dem Länderspiel gegen Polen, 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs", so Roth.

Ähnlich äußerten sich viele Fans. Sie betonten, es sei gerade nicht unpolitisch, ein Statement gegen Faschismus zu verstecken. Viele antirassistische Fans und Ultras müssen sich zudem immer wieder vorhalten lassen, sie trügen die Politik ins Stadion, wenn sie sich gegen Rassismus in den Kurven engagieren - so als sei der vorhandene Rassismus unpolitisch.

Versuch der Schadensbegrenzung

Beim DFB ist man nun offenkundig um Schadensbegrenzung bemüht, denn auch Journalisten aus Polen sind durch die Berichterstattung in Deutschland bereits auf den Vorgang aufmerksam geworden. Und so warb DFB-Pressesprecher Jens Grittner auf Twitter für Verständnis. Man müsse die Sache differenziert sehen, denn Fotos von deutschen Nationalspielern mit dem Schriftzug "für Faschisten" wollen auch niemand sehen.

Damit machte der DFB die ganze Sache aber nicht besser, denn tatsächlich steht am Hamburger Millerntor "Kein Fußball den Faschisten", nicht "für Faschisten". Beim FC St. Pauli versteht man die Zurückhaltung des DFB ohnehin nicht: Zeichen gegen Faschismus zu setzen, gehöre seit Jahrzehnten zum Selbstverständnis des Vereins und seiner Fanszene. "Kein Fußball den Faschisten" stelle für St.Pauli "in diesem Zusammenhang keine politische Botschaft dar. Vielmehr verkörpern diese Worte eine Haltung und Werte, die gesellschaftlicher Konsens sein sollten und nicht nur am Millerntor gelebt werden sollten."

Während bei Twitter nun eine humorvolle Kampagne angelaufen ist, welche Dinge der DFB derzeit "neutralisiert" wird die Diskussion, wie politisch der Sport sein sollte und darf, vor der WM noch einmal an Fahrt gewinnen. Angesichts der Zustände in Brasilien möglicherweise nicht die schlechteste Debatte.

Stand: 13.05.2014 18:07 Uhr

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