Trumps Wahlsieg zeigt, dass Hedonismus Folgen hat. Wenn seit den 90er Jahren jeder an sich denkt, vor allem in einer Klasse, die eigentlich das Kreuz breit machen müsste, für diejenigen, die das weniger gut können - dann ist am Ende eben nicht an jeden gedacht. Zu lange haben wir soziales Engagement nur als Folklore betrieben. Kinderarmut, unstetige Beschäftigungen, Rentner, die Pfand sammeln - all das wird hingenommen. Jeder, dem es noch gut geht, der schaut, wo er bleibt und fürchtet sich. Und er beruhigt sein Gewissen, indem er das gute Leben kauft. Im Bio-Supermarkt.
Politik machen andere. Wer will sich das schon antun? Man verkämpft sich lieber um Themen wie Bahnhöfe, Straßenhunde, Grundschulessen. Aber an die denken, die abgehängt sind; wirklich wissen wollen, wie sich das anfühlt, im reichen Land arm zu sein - lieber nicht zwischen Yogamatte und Latte mit Soja-Milch. Ich bin immer noch der Meinung, dass man ein Arschloch ist, wenn man die eigene Ohnmacht an Schwächeren auslässt. Aber ist es arm, wenn einem der Klimawandel weniger am Herzen liegt, als das billige Fleisch auf dem Teller?
Wie fühlt es sich wohl an, wenn Dir mit der eigenen Armut auch die moralische Unterlegenheit serviert wird? Nicht die Wähler rechtspopulistischer Parteien müssen zur Einsicht und Umkehr gebracht werden. Sie nehmen das Recht wahr, das ihnen in der Demokratie bleibt. Nach dem Brexit gab es einige tolerante, weltoffene Kommentare die meinten, dass man eine solche Entscheidung doch nicht dem Volke überlassen könne. Genau damit stellt man die Demokratie in Frage.
Viele, die das hier hören, gehören einer Gruppe an, die jede Möglichkeit hätte, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Wie viele Menschen kennen Sie, die sich politisch engagieren? Wie sind die so? Und warum ist das so? Ungleichheit, Benachteiligung, Rassismus werden nicht "von unten" abgeschafft. Diejenigen, die die Privilegien haben, müssen sich dafür einsetzen - dann ändert sich was. Es ist nicht ok, das Feld denen zu überlassen, die Arme und noch Ärmere gegeneinander ausspielen.
Wir müssen einsehen, dass wir uns zu lange haben ablenken lassen. Nennen Sie mir ein innenpolitisches Thema von größerer Relevanz 2016. Ohne Flüchtlingskrise, ohne Burka-Verbot. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit Maut. Wieso lassen wir das zu? "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Mit der Mauer sind solche Sätze unter den Tisch der politischen Debatte gefallen, sie passten nicht mehr in den Siegestaumel der "freien Welt". Sie sind deshalb aber nicht weniger zutreffend.
Redaktion: Gerda Leesing