"Z Common Ground" - das heißt 4.000 Quadratmeter auf vier Stockwerken - nur für Kunst. Kurz vor der Eröffnung führt Graffiti Künstler und Kurator Loomit durch das ehemalige Bürogebäude im Münchener Westen. Die Wände werden mit Graffiti bemalt, überall riecht es nach Farbe, in jedem Raum entsteht gerade ein anderes Kunstwerk. Mehr als 100 Künstlerinnen- und Kulturschaffende sind beteiligt. Dazu kommen zwei Klassen der Kunst-Akademie, die Kammerspiele und das Institut für Kunstpädagogik.
Ein Mega-Projekt für einen Mini-Zeitraum. Denn Anfang Juni ist wieder Schluss mit "Z Common Ground". Es handelt sich hier - wie so oft in München - um eine Zwischennutzung. Daniel Man, selbst Künstler, und nun einer der Kuratoren des Projekts, sieht dennoch künstlerisches Potenzial bei Zwischennutzungen: "In einem Raum oder einem Haus, wo du sagst, es findet eine Abrissparty statt, wirst du ne Party ganz anders feier. Aber tatsächlich wissen die Künstler, dass sie alles mit dem Haus machen können, Zwischennutzungen kann eines der spannendsten Formate sein. Klar, das ist ein Feuerwerk, das man zündet und dann ist alles weg."
Ein Feuerwerk auch, weil das Gebäude mit seiner bunten Fassade wie ein Farbklecks in einer eher grauen Gegend ist. Das Gebäude in der Zschokkestraße 36 ist in privatem Besitz. Nach der Zwischennutzung und dem darauffolgenden Abriss, könnten hier vermutlich neue Wohnungen entstehen. Zwischennutzungen sind genau deshalb für Kreative attraktiv. "Es gibt scheinbar keine anderen Möglichkeiten, um an Räume zu kommen", sagt die Kulturwissenschaftlerin Simone Egger, "Oft hat man den Eindruck, das ist in München eher ein Feigenblatt. Das heißt, ein Bauunternehmen kann sich offen präsentieren und sagen, wir stellen unsere Räume zu Verfügung. Auf der anderen Seite, wenn eine Stadt, so dicht belegt ist wie München, ist das die oft einzige Möglichkeit an Räume und große Flächen zu kommen, die auch zentral liegen. An große Flächen, die man sonst einfach auch gar nicht bezahlen könnte." Dass Kulturschaffende nur noch bedingt Lust auf Zwischennutzungen haben, das hat das "Z Common Ground" vorab zu spüren bekommen. Laut Melander Holzapfel, einer der KuratorInnen, wollten viele der angefragten Künstler keinen temporären Raum, sondern langfristige Ateliers.
Bahnwärter Thiel, Alte Utting, das Container Collective. Kunst und Kultur, die sich abseits des Mainstreams bewegen, können sich in München immer nur "dazwischen" positionieren, nie auf lange Zeit, nie permanent. Schuld daran ist auch die Stadt selbst. Sie stellt immer wieder Räume für Zwischennutzungen zur Verfügung - manchmal zu untragbaren Bedingungen. Ein Beispiel: In der Münchener Innenstadt darf ein Haus - das ehemalige Gesundheitshaus in der Dachauer Straße - fünf Jahre lang zwischengenutzt werden. Bedenklich ist allerdings der Zustand, in dem die Stadt möglichen Interessenten die Räume übergibt: In dem Exposé zur Ausschreibung hieß es unter anderem, dass Asbest selbständig zu entsorgen sei, kein Brandschutz vorliege und die Wasserleitungen von Legionellen befallen sind.
Das Gebäude sei zu entrümpeln, die komplette elektrische Anlage veraltet und der Brandschutz ist in allen Ebenen nachzurüsten. Zudem gäbe es undichte Heizkörper und Rohrleitungen und auch die Sanitärinstallation sei in einem hygienisch äußerst bedenklichen Zustand. Die Stadt München zahle keine Entschädigung für die getätigten Investitionen. Umdas Gebäude also irgendwie nutzen zu können, braucht es Geld. Viel Geld. Eigentlich gut, dass es der Stadt und dem Land daran nicht mangelt. In diesem Fall aber will man die Kosten doch lieber an die Zwischennutzer abgeben. Ein Grund, weshalb viele potenzielle Interessenten, das Haus eher meiden. Trotzdem scheint, dass sich eine Person mit der Stadt einigen konnte - trotz des Asbests, trotz des Legionellen-Befalls.
Zurück zur aktuellen Zwischennutzung, zurück ins Z Common Ground. Verteilt auf 4.000 Quadratmeter werkeln Kulturschaffende vor sich hin - mit dem Ziel in sechs Wochen wieder alles abzureißen. Stadtforscherin Simone Egger meint dazu, dass trotz der Projektförderung vom Kulturreferat München längerfristige andere Lösungen her müssen. Bisher sieht es in München so aus, als müssten sich Künstler immer nur mit Zwischennutzungen zufriedenstellen, um überhaupt an Räume zu kommen. Und, was passiert, wenn es keine Räume mehr gibt? Wenn alles totsaniert ist? Darauf hat auch das Kuratorenteam der Zschokkestraße keine Antwort.
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