Früher funktionierte Geheimtinte nur für eine Anwendung: Chinesische Forscher haben nun eine Tinte entwickelt, die mehrfach sichtbar und unsichtbar gemacht werden kann. Der Haken: Sie enthält Blei.
Geheime Botschaften, die mit Zitronensaft geschrieben wurden, hinterlassen auf dem Papier kaum Spuren. Erst wenn das Blatt über einer Kerzenflamme erhitzt wird, erscheint die Nachricht. Mit so einer Zaubertinte spielen heute noch Kinder.
Dabei entwickelten Spione noch im Kalten Krieg Mixturen, um geheime Nachrichten zwischen den Fronten auszutauschen. Heute spielen solche Methoden für Geheimdienste nur noch eine untergeordnete Rolle. Doch die Ergebnisse einer Gruppe chinesischer Wissenschaftler könnte das ändern.
Denn das Problem bei bisherigen Mixturen war immer, dass sie nur einmal sichtbar gemacht werden konnten. Das ist bei der Geheimtinte der Materialwissenschaftler um Liang Li von der Jiao-Tong-Universität Shanghai anders. Sie lässt sich mehrmals sichtbar und wieder unsichtbar machen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature Communications". Damit ist sie sicherer als ihre Vorläufer.
Farblos und auch bei Wärme unsichtbarBereits 200 Jahre vor Christus beschrieb der griechische Erfinder Philon von Byzanz den Zitronensafttrick, um geheime Botschaften zu verschlüsseln. War die Nachricht einmal lesbar gemacht worden, ließ sie sich jedoch nicht wieder verbergen.
Die Geheimtinte der chinesischen Forscher ist komplexer: Ihre Tinte besteht aus sogenannten metallorganischen Gerüsten auf Bleibasis. Sie ist farblos und bleibt auch bei Wärme oder unter UV-Lampen unsichtbar. Erst wenn sie mit Halogenid-Salzen in Kontakt gerät und mit UV-Licht bestrahlt wird, ist sie sichtbar. Mit Methanol lässt sich dieser Effekt wieder aufheben. Den Forschern zufolge könnte diese Methode das Anbringen von unsichtbaren Sicherheitscodes ermöglichen - oder aber das Verschlüsseln von Botschaften.
Mit der Präsentation der neuen Geheimtinte ist auch ihre Formel einsehbar gemacht worden. Für Geheimdienste ist die genaue Mixtur daher nur mäßig interessant. Die Forscher schreiben jedoch, dass die Geheimtinten-Rezeptur abgewandelt werden könnte, auch um die giftigen Bleibestandteile zu ersetzen.
Dann könnte die Methode für Geheimdienste tatsächlich an Relevanz gewinnen. Dort läuft die Kommunikation heute meist über elektronische und digitale Wege ab - die eine völlig andere Art der Verschlüsselung verlangen.
BND gibt keine AuskunftBeim Bundesnachrichtendienst (BND) will man sich zur Entwicklung von modernen Geheimtinten nicht äußern. In den 50er- und 60er-Jahren wären jedoch Informationen unter anderem auf Stofftaschentüchern aufgebracht worden. Die Tücher wurden als Geschenke überreicht - die Nachricht hätte der Empfänger mit „einer einfachen, Laien zumutbaren Methode" sichtbar gemacht, heißt es. Auch unscheinbare Urlaubspostkarten wurden laut BND von Spionen mit Geheimtinte präpariert. Mit bestimmten Chemikalien konnte der Empfänger den Text selbstständig lesbar machen.
Florian Schimikowski vom Deutschen Spionagemuseum in Berlin weiß von einem anderen Verfahren, das beispielsweise der Ururenkel des Chemikers Justus von Liebig angewandt haben soll. Dieser lieferte unter anderem mithilfe eines präparierten Seidenschals Geheimnisse an die USA. Der Schal war mit Geheimtinte getränkt - so brauchte er keine verdächtigen Chemikalien mit sich herumtragen. Nach dem Trocknen der Tinte ließ sich das Tuch unscheinbar am Hals tragen. Mit einem stumpfen Gegenstand und sanftem Druck ließ sich die Geheimtinte aus dem Schal dann auf Papier durchpausen.
Es ging aber auch anders: Hatten Agenten sonst nichts zur Hand, seien Körpersäfte genutzt worden, sagt Schimikowski. Zum Beispiel Urin oder Sperma, die wie Zitronensaft durch Wärme sichtbar werden. Der Gründer des britischen Auslandsgeheimdiensts MI-6 habe einmal behauptet, dass jeder Mann seinen eigenen Füllfederhalter dabeihabe.
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