Nora Schmitt-Sausen

Journalistin Schwerpunkt USA, Berlin

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Wahlen: Ganz Denver ist auf dem Ökotrip

Washington - Die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten in Denver soll "der grünste Parteitag in der Geschichte dieses Planeten werden". Diese vollmundige Parole gab Bürgermeister John Hickenlooper aus. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, wurde tatsächlich mehr getan, als die Stadt im Rocky-Mountains-Staat Colorado lediglich zu begrünen oder Tonnen zur Mülltrennung aufzustellen. Der ganzen Stadt mit ihren 560 000 Einwohnern wurde ein Ökotrip verordnet: Die zahlreichen Partys und Veranstaltungen am Rande des Parteitags sollen von Umweltbewusstsein durchdrungen sein, die Restaurants offerieren Speisekarten mit Gesundheitskost, die Hotels wurden zu verstärktem Umweltschutz gedrängt. Bereits seit einigen Jahren zählt Denver zu den besonders umweltbewussten Großstädten der USA: Knapp die Hälfte der städtischen Autos sowie der Großteil der Taxis fahren mit Hybridantrieb oder werden mit alternativen Kraftstoffen betrieben. Die Stadt und ihre Bewohner haben auch für die Zukunft große Pläne: Bis 2025 wollen sie eine Million neue Bäume in ihrer Heimat pflanzen. Und so will sich die einstige Goldgräbermetropole beim Mammuttreffen der Demokraten vom 25. bis zum 28. August der Welt als umweltbewusste Vorzeigestadt präsentieren: Ein Teil des Stroms für den Parteitag wird durch Wind- und Solarenergie gewonnen. Die auf einer Wahlkampfveranstaltung unerlässlichen Luftballons und Konfetti-Massen wurden auf ihre biologische Abbaubarkeit überprüft. 900 Freiwillige seien engagiert, um den Müll der Parteitagsbesucher in Recyclingtonnen vorbildlich zu entsorgen, schrieb die "Washington Times". Für einen umweltschonenden Trip vorbei an den historischen Sehenswürdigkeiten und der modernen Architektur der 1858 gegründeten Stadt stehen 1000 Leihfahrräder bereit. Aufgebrachte Diskussionen allerdings provozierte der Wunsch der Organisatoren, bei offiziellen Veranstaltungen für die 50 000 erwarteten Delegierten, Gäste und Journalisten "gesundes" und "biologisches" Essen zu offerieren. Statt der amerikanischen Bestseller wie Hamburger und frittierte Hühnchen sollten Lieferanten und Restaurants vor allem gesunde und fettarme Speisen anbieten. Darauf brach in Denver ein "Food fight" (Kampf ums Essen) aus, wie US-Medien berichteten. Empört wiesen Traditionalisten zurück, dass während der vier Veranstaltungstage Frittiertes verbannt sein sollte, alle Mahlzeiten in mindestens drei von fünf vorgeschriebenen Farben gestaltet sein sollten sowie nur organische und einheimische Zutaten verwendet werden dürften. Vor allem letzteres löste bei vielen Kopfschütteln aus - ist Denver doch mehr für seine wintersportfreundliche Lage am Fuße der Rocky Mountains denn für seine optimalen Bedingungen zum Anpflanzen von Gemüse bekannt. "Ich stelle die Machbarkeit infrage", zitierte die "Denver Post" einen heimischen Lebensmittellieferanten. Als Denver - zuletzt vor 100 Jahren Gastgeber eines demokratischen Parteitages - den Zuschlag für die Ausrichtung bekam, jubelte die Stadt. Doch mittlerweile stöhnen viele unter den ehrgeizigen Plänen. "Das versetzt mich in Panik", kommentierte Denvers offizielle Umweltbeauftragte Andrea Robinson die ambitionierten Zielvorgaben Hickenloopers im "Wall Street Journal".

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