Nora Schmitt-Sausen

Journalistin Schwerpunkt USA, Berlin

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Designer-Mäntelchen für 375 Dollar: US-Mütter im Modefieber

Von Nora Schmitt-Sausen, dpa

Washington. Ihre Kinder tragen Designerjeans, Markenpolos und edle Schuhe. In den USA stecken Eltern, die es sich leisten können, ihren Nachwuchs in den feinen Zwirn hochwertiger Modemarken.

Ob nun das Burberry-Kleidchen für 180 Dollar (rund 115 Euro) oder das Designer-Mäntelchen für 375 Dollar - Geld spielt für wohlhabende Eltern keine Rolle. Dabei leben die Mütter in ihren Sprösslingen immer häufiger die eigenen Modefantasien aus und machen ihren Nachwuchs zu einer Kopie ihrer selbst. Die US-Modeindustrie fördert den Trend zum herausgeputzten Kind mit frischem Design.

Der im Jahr 2007 knapp 49 Milliarden Dollar schwere US- Kindermodemarkt wächst seit fünf Jahren kontinuierlich, zeigt eine Studie der „Mintel International Group", einem führenden Unternehmen für Marktforschung. Einer der Gründe für die Entwicklung: Es gebe eine zunehmende Anzahl älterer Mütter, die über mehr Geld verfügten und bereit seien, dieses Geld in ihren Nachwuchs zu investieren - und das möglichst in exklusive Boutiquen-Mode und nicht in Mode von der Kaufhausstange. Demzufolge gibt es laut Mintel auch immer mehr Kinderläden, die hochwertige Kindermode vertreiben.

Etwa 35 gehobene Kinderbekleidungsmarken kämpfen in den USA heute um den Markt. Zahlreiche US-Designer wie Marc Jacobs oder Phillip Lim sind in jüngster Zeit mit hochwertigen Linien für den Nachwuchs auf den Markt gekommen. Die Traditionsfirma Burberry holt nach Jahrzehnten die Produktion der Kinderbekleidung nach und nach wieder ins Haus, meldete die „Los Angeles Times". Das Unternehmen habe eigens ein Designerteam für Kinderbekleidung eingestellt. Zum Jahresende solle in den USA der erste reine Burberry-Kinderladen eröffnet werden.

Gefördert wird die Entwicklung durch den Babyboom in Hollywood. Fotos von zurechtgemachten Promikindern, zu hunderten in den amerikanischen Klatschblättern abgelichtet, haben Vorbildcharakter. Was die zweijährige Suri Cruise oder auch kleine Mode-Ikonen wie Maddox Jolie-Pitt oder Madonna-Tochter Lourdes tragen, entwickelt sich schnell zum Verkaufsschlager. „Der Hollywood-Faktor funktioniert auf jeden Fall", sagt Ann-Katrin Weiner, Redaktionsleiterin des „Kids Wear Magazin", einem weltweit erscheinenden Magazin für Kindermode.

Und dabei ist die schicke Mode der Kleinen weit entfernt von Nickipulli und Latzhose. Die kleine Suri etwa, kürzlich von einem US- Magazin zum bestgekleidetsten Kind Hollywoods gekürt, ist oft ein Ebenbild ihrer Mutter Katie Holmes: Beide tragen auf Fotos kurze Röcke, Spitzenblusen und Lacksandalen und die eine wie die andere sieht aus als sei sie gerade vom Laufsteg gestiegen. „Kinder werden immer mehr zum Accessoire", meint Kindermodeexpertin Weiner.

So lassen sich die Kindermodemacher bei ihrem Design immer mehr von dem beeinflussen, was in der Erwachsenen-Modewelt von New York, Mailand oder Paris angesagt ist. „Das ist das erste Mal, dass eine Linie so offensichtlich von der Erwachsenenkollektion inspiriert wurde", zitiert die „Los Angeles Times" Tracy Edwards, eine Vizepräsidentin des Kaufhauses Barneys New York zur aktuellen Mädchen-Kollektion des Designers Lim. Bis zu 30 Prozent der ursprünglich sehr traditionellen Burberry-Kinderlinie seien zukünftig von der Mode der Großen geprägt.

In Deutschland hat sich die Bereitschaft, Hunderte von Euro für kleine Stücke Stoff zu zahlen, noch nicht durchgesetzt. Gehobene Kinderfachgeschäfte hätten in den vergangenen zwei Jahren mit stagnierenden Umsätzen zu kämpfen, berichtet der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels mit.

Insgesamt gebe es nur einige Dutzend Kinderfachgeschäfte mit Designerabteilungen, in denen Mütter mit viel Geld die Anziehsachen für ihren Nachwuchs kauften. Für den Gesamtmarkt der Kinderbekleidung von knapp 2,7 Milliarden Euro in 2007 habe die Klientel der reichen Mütter nur eine „extrem geringe Bedeutung". Vielmehr spielten in Deutschland die günstigen Angebote der Lebensmitteldiscounter oder die Wühltische von Textilgeschäften eine Rolle.

Hugo Boss, eine der bekanntesten deutschen Modemarken, wagte dennoch jüngst den Schritt in den Kindermodemarkt: Ende Juni stellte das Unternehmen seine erste Kollektion für den Nachwuchs vor. Auch hier ist die Mode für den Nachwuchs „im gehobenen Segment positioniert" und „von der Erwachsenenkollektion inspiriert".

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