Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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"Die Musik ist das Transportmittel"

Mariana Sadovska (Bild: Tamara Soliz)

Die ukrainische Sängerin Mariana Sadovska.

Die Zeiten, in denen Komponisten ihre Stücke am Flügel anspielen und dann Note um Note mit Bleistift notieren, gehören der Vergangenheit an. Fragt man Mariana Sadovska, wo ihr Arbeitsplatz oder Atelier sei, lacht sie und antwortet, das sei zu Hause: „Ich arbeite vor allem an Keyboard und Computer. Aber das klassische Arbeiten gibt es schon auch noch."

Mariana Sadovska ist Sängerin, Komponistin, Musikerin und Schauspielerin. Als die ‚ukrainische Björk' wird die zierliche Frau und dem freundlichen Lächeln oft bezeichnet. Tatsächlich gleicht sich die Arbeit beider Künstlerinnen darin, dass sie in keine der herkömmlichen Schubladen im Kulturbetriebsschrank passen. „Ich hatte Glück", sagt sie selbst, „Ich habe meine ukrainischen Wurzeln und die Musik. Das lässt mich beides nicht in Ruhe und begleitet mich überall hin, wo ich auch bin." Inzwischen wohnt Mariana Sadovska seit 12 Jahren in der Kölner Südstadt. Ihre Kinder gehen hier zur Schule.

Geboren ist die 42-Jährige in Lwiw, dem ehemaligen Lemberg, in der ukrainischen SSR. Dort besuchte sie die Musikfachschule und arbeitete danach erst am Lemberger Theater und anschließend als musikalische Leitung am Gardzienice-Theater in Polen. Was sie dort lernte, prägt sie bis heute: Mariana Sadovska entdeckte ihr Interesse an traditioneller Musik – nicht allein an der ukrainischen, sondern auch dem, was heute Weltmusik heißt. Die Lieder, die ihr andere Menschen vorsangen und ihre Geschichten sammelte sie, zunächst nur aus persönlichem Interesse: „Es kam vor, dass ich ein Lied sang und dann jemand auf mich zukam und antwortete: ‚So, jetzt singe ich Dir mein Lied vor'".

Natürlich beschäftigen auch die politischen Ereignisse in der Ukraine und die Folgen für die Menschen dort Mariana Sadovska sehr. „Wir haben einen großen Zusammenhalt, stehen in Kontakt, und nahezu Jeder wird zum Aktivisten, engagiert sich. Ich war hin- und hergerissen, was für mich das Richtige ist: Hinzufahren und meinem Bruder dabei zu helfen, Brote für die Demonstranten zu schmieren, oder hierzubleiben und davon zu erzählen, was dort passiert. Jetzt habe ich durch meine Arbeit eine Antwort und ein Ausdrucksmittel gefunden."

In ihrer Musik verarbeitet sie die aktuelle Situation dort und auch ihre Gedanken und Gefühle. Zum ersten Mal hatte sie aber auch bei Texten, die sie dazu las – etwa die Gedichte eines ukrainischen Lyrikers oder auch einen Facebook-Eintrag einer Schriftstellerin – das Bedürfnis, dazu eine Musik zu komponieren und den Text darin zu verarbeiten.

Nach Köln verschlug es die Musikerin durch Zufall. Ihr jetziger Mann, der Schauspieler André Erlen, besuchte einen Workshop in Polen, den sie leitete. Auf eine Zeit der Fernbeziehung folgten Pläne zusammenzuziehen – daraus wurde aber zunächst nichts. Bei einem Urlaub in den USA stellte sie in der New Yorker ukrainischen Gemeinde zum ersten Mal ein Programm aus ihren gesammelten Lieder und Geschichten zusammen, das sie bei einem Liederabend vortrug. Das stieß auf ein so großes Interesse, dass es den Anstoß gab, die ethnografische Arbeit fortzusetzen.

„Ich sehe mich als Übersetzerin" beschreibt sie diesen Teil ihres Schaffens. „Ich gebe die Lieder weiter. Jedes Lied ist ein Monolog eines Menschen und erzählt seine Geschichte." Nach dem Konzert kam ein Mann auf sie zu, der für die New Yorker „Earth Foundation" arbeitete, und bot ihr ein Stipendium für zwei Jahre dort an. So wurde der Umzug in Köln noch eine Weile aufgeschoben, dafür zog aber ihr jetziger Mann zu ihr nach New York: „André ist auch in meiner künstlerischen Arbeit mein Hauptpartner. Wir machen sehr viel zusammen und besprechen die Idee, entwickeln etwas weiter, schreiben zusammen einen Text für eine Melodie."

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Sonntag, 7. Dezember 2014 | Text: Nora Koldehoff

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