Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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Lockerlassenlernen zum Weltkindertag

Weltkindertag - was bedeutet das? Ist das wie Muttertag? Oder bedenkt man einmal im Jahr in einer riesigen Spielstraße am Rhein die Kinder, und das war es dann für den Rest des Jahres? Könnte es nicht vielleicht auch ein Anlass sein, über die Welt unserer Kinder nachzudenken und diese auch zu überdenken?

Eine Mutter sitzt auf der Bank am Spielplatz, während ihr kleines Kind den Sandkasten umgräbt, und anschließend, nachdem der Sand erfolgreich umgepflügt wurde, neugierig in Richtung Klettergerüst tapst. „Nicht so hoch... Vorsicht!" Und anschließend klaubt die Mutter ihr Kind vom Gerüst herunter, spielerisch schaukelnd, beide fröhlich. Ein Moment, wie ihn beinah jeder kennt, schon einmal beobachtet oder selbst erfahren hat. Und auch nachvollziehen kann, denn die drohende Gefahr des Herunterfallens und Verletzens war von der Mutter erkannt und gebannt worden, bevor sie überhaupt akut wurde.

Doch was hat das Kind dadurch erfahren? Jemand sagt ihm, wann es das, was es gerade vorhat, abzubrechen hat, wann etwas zu gefährlich ist, wann es nicht mehr klettern sollte. Es hatte nicht die Gelegenheit, selbst herauszufinden, wann es nicht mehr weiter klettern möchte, sich überfordert fühlt oder Angst bekommt.

Was macht die Kinder stark - stark für das Leben. Was dazu gehört, wie die Wertung aussieht, das definiert schon jedes Elternteil unterschiedlich. In einem Fall wird auf Durchsetzungskraft und Anpassungsfähigkeit gesetzt, im anderen stehen Mitgefühl und soziale Kompetenz im Fokus, im dritten größtmögliche Leistung und Erfolg in schulischer Bildung und so weiter.

Selbstverständlich möchten alle Eltern, dass es ihren Kindern gut geht. Doch darüber, was ihnen an eigenen Erfahrungen zuzumuten ist, da scheiden sich die Geister. Während die einen schon früh weitgehend auf sich selbst gestellt sind, werden andere bis kurz vor dem Abi morgens noch bis in die Klassenräume begleitet. Das mag überspitzt klingen, doch die Rückmeldungen von Universitäten und anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung lassen doch ein gerüttelt Maß an Verzweiflung über die mangelnden Fähigkeiten zum selbstständigen Arbeiten und Organisieren eben der Schule Entwachsener durchblicken. Doch wie soll Hans können, was Hänschen nicht lernte? Dazu ist weder der Raum bei einem Kind, das keine Begleitung und Förderung erfährt, noch bei denen, die jeden Stolperstein aus dem Weg geräumt bekommen, oder zumindest davor gewarnt werden. Kinder müssen Risikokompetenz erlernen, sich über ihre Stärken und Grenzen bewusst werden. Dafür müssen sie aber auch altersgemäße Risikoerfahrungen machen dürfen.

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Sonntag, 22. September 2013 | Text: Nora Koldehoff 

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