Nina Scholz

Journalistin: Tech-Unternehmen, Gewerkschaften

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Medien- und Hackergruppe Telekommunisten: Linksradikal mit Technik

Start-up-Konzepte mit Kommunismus verknüpfen - das ist die Idee der Telekommunisten. Derzeit touren sie per Zug durch Europa.

An einem kalten, grauen Samstag im Februar wurde im Berliner Verdi-Gebäude über Revolution gesprochen. Die Berliner Medienkunst- und Hackergruppe Telekommunisten hatten dazu eingeladen. Drinnen ist es bei Weitem nicht so grau wie draußen: Die Stimmung ist gut, bunte Post-it-Zettel werden verteilt und mit Ideen beschrieben, die Diskussionen sind lebhaft, gesprochen wird englisch, auch wenn man hört, dass es für wenigsten die Muttersprache ist: Die Leute, die hier anzutreffen sind, könnte man als Berliner Expat-Linke bezeichnen, die Mischung ist international und geht quer durch alle Altersklassen.

So sieht es eigentlich immer aus, wenn die Telekommunisten in den letzten Jahren in Berlin eingeladen hatten - und so wird es auch ihrer aktuellen Tour quer durch Europa aussehen, bei der sie - auch anlässlich des Jubiläums der Russischen Revolution - Lenins Rückkehr aus dem Schweizer Exil nachzeichnen. Die Telekommunisten, das sind eigentlich die beiden gebürtigen Kanadier Dmitry Kleiner und Baruch Gottlieb. Der eine kam Ende der 1990er, der andere Mitte der nuller Jahre nach Berlin.

Sie sind Grenzgänger verschiedener Berliner Subkulturen, die sich in der Hauptstadt nicht zwangsläufig begegnen. Beide sind Hacker, gehören aber auch zur Berliner Medienkunstszene und sind fester Bestandteil des Digitalkultur-Festivals Transmediale, in dessen Rahmen auch dieses Treffen stattfindet. Und sie sind Kommunisten - ein Wort, das selbst viele Linksradikale aus den Szenekiezen so heute nicht mehr oder nur sehr vorsichtig in den Mund nehmen.

Nicht so die Telekommunisten. „Ich bin während der Antiglobalisierungsproteste der 1990er Jahre in Kanada politisiert worden", sagt Dmitri Kleiner. Softwareentwickler ist er, 43 Jahre alt, das Haar mit dem zurückweichenden Ansatz trägt er halblang und zum Oberlippen- und Kinnbart. „Alle waren damals gegen Kapitalismus, aber keiner nannte sich Kommunist." Das fand Kleiner blöd. Bald später, dann schon in Berlin, fand er einen Begriff, in dem er sich wiederfand: Telekommunisten.

Venture Kommunismus

Damals bezeichnete man in der deutschen Hackercommunity so abwertend die Telekom und meinte damit das bürokratische System, aus dem sich der ehemalige Staatskonzern nur mühsam befreien konnte. „Ich habe mir den Namen angeeignet. Und er ist auch heute noch sehr praktisch. Man spart sich den Smalltalk. Die Leute wissen gleich: Wir sind Kommunisten. Wir müssen nicht um den heißen Brei herumreden."


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