Jetzt werden quasi mittelalterliche Keulen wieder ausgepackt, wir wären Superspreader und infektiös geladen.
Leipziger Domina VictoriaEine Aufhebung des Berufsausübungsverbotes ist derzeit nicht absehbar. Hinzu kommt, dass 16 Bundespolitiker nun gar ein generelles Sexkaufverbot fordern. Eine brisante Forderung, denn es besteht kein Anspruch auf staatliche Corona-Hilfen für Sexarbeiterinnen. Und auch die existierenden Nothilfe-Fonds verschiedener Vereine, welche vor allem für unangemeldete Sexarbeiterinnen einen Rettungsanker darstellen, sind auf private Spenden angewiesen.
In Leipzig etwa hat die Erotikbranche keinen gleichwertigen Anspruch auf die Solo-Selbstständigenhilfe der Stadt. Dennoch gibt es auch Stimmen aus der Politik, die beispielsweise die Corona-Hygienebestimmungen im erotischen Gewerbe für nicht einhaltbar halten. Für die Sexarbeiterinnen, so auch für Victoria, führt die derzeitige Situation in eine finanzielle Sackgasse.
Bei Kolleginnen erlebt die Domina, was dies in der Realität bedeutet: "Ohne eine Aussicht auf irgendwelche Hilfen, werden die Menschen auch in die Illegalität getrieben, weil was ist besser - nichts zu haben oder zumindest die Aussicht zu haben, den Kühlschrank wieder füllen zu können? Wenn man keine Hilfen zur Verfügung hat und die Arbeit nur noch illegal funktioniert, wie soll man denn anders handeln?"
Die Gefahr, dass immer mehr Frauen in die Illegalität gedrängt werden, sieht auch Ulrike Richter vom Verein KOBRAnet. Der Verein kümmert sich um Opfer von Menschenhandel. Auch Sexarbeiterinnen berät Ulrike Richter. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine Gruppe besonders gefährdet sei: "Dadurch, dass wir ja meistens Migrantinnen hier haben, die in der Sexarbeit tätig sind, haben einige auch den Zeitpunkt verpasst, um vor dem Shutdown ins Herkunftsland zurückzureisen. Und bevor die Grenzen geschlossen wurden, sind sie dann mehr oder weniger hier gestrandet und da war also überhaupt keine soziale Absicherung für die Frauen gegeben."
Viele Sexarbeiterinnen bieten daher ihre Dienste nun trotz des Ansteckungsrisikos wieder offen im Internet an. Das beobachtet auch Ulrike Richter: "Anfänglich war das ganz klar auch auf den einschlägigen Websites angegeben, dass im Augenblick keine Sexarbeit angeboten wird. Das hat sich jetzt in den letzten Wochen geändert. Die Frauen inserieren wieder und es werden eben nur Telefonnummern und keine Adressen angegeben."
Über das Internet stoßen auch wir auf ein Studio in der Nähe von Leipzig. Offiziell wird hier Pediküre angeboten. Wir besuchen das Studio, um uns selbst ein Bild zu machen. Zunächst bietet die Frau eine Massage an, auf Nachfrage wird sie jedoch deutlicher:
Reporter: "Was bieten Sie denn an? Nur Massagen?"
Antwort: "Sex, Sex, 70 Euro."
Antwort: "Hmm, eine Stunde."
Szenen wie diese haben sich auch vor der Coronakrise abgespielt. Durch das aktuelle Arbeitsverbot wird allerdings ein Abdriften in die Illegalität beschleunigt und dadurch ist vor allem die Sicherheit der Sexarbeiterinnen gefährdet. Sie sind nicht nur durch eine potenzielle Verfolgung durch die Behörden bedroht, ihnen wird auch der Zugang zu rechtlichem Beistand und finanzieller Unterstützung erschwert.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. Juli 2020 | 05:21 Uhr