Ohne Business-Plan, ohne Marketingkonzept und ohne Geschäftsmodell - so ist die unabhängige Daten- und Investigativjournalismus-Plattform "Dossier" im Oktober 2012 online gegangen und sorgte mit einer umfassenden Recherche über die Stadt-Wien-Inserate in der Gratiszeitung Heute für Aufsehen. Zweieinhalb Jahre nach dem Start hat Dossier nicht nur weitere investigative Recherchen zu den Themen Asyl und kleines Glücksspiel veröffentlicht und einige Preise dafür gewonnen, sondern sich auch wirtschaftlich weiterentwickelt. Hat sich das werbefreie Onlinemagazin zu Beginn rein über Spenden finanziert, wurde im Dezember ein neues Business-Modell in Form einer Community-Paywall mit einem dreistufigen Mitgliedschaftskonzept eingeführt. Für 52, 365 oder 1.200 Euro pro Jahr kann man Dossier als Spürnase, Informant oder Kronzeuge finanziell unterstützen. Im Gegenzug bekommen Mitglieder weiterführende Informationen geboten - zum Beispiel Lehrmaterialien, die das Dossier-Team beim Unterrichten verwendet, Making-ofs oder längere Interviews.
Kein Paid Content. "Die Inhalte, die wir veröffentlichen, sind nach wie vor für jedermann und jederfrau zugänglich", betont Florian Skrabal, Initiator und Chefredakteur von Dossier. Vor etwa einem Jahr hat das achtköpfige Team begonnen, das Mitgliedschaftskonzept zu entwickeln, sich mehrere internationale Modelle angesehen und versucht, diese an Dossier zu adaptieren. "Wir wollen Journalismus in öffentlichem Interesse machen und so viele Menschen wie möglich erreichen", erklärt Skrabal. Eine klassische Paywall kam für Dossier deshalb nicht in Frage. Ziel des Community-Bereichs sei es, die Mitglieder zu informieren und sie in den Redaktionsprozess einzubinden. Wichtiges Element dabei ist das "Dossier Hinterzimmer", das demnächst an den Start geht: "Eine Art digitales Forum, in dem sich Mitglieder in einem geschütztem Raum austauschen können und wir auch immer wieder Diskurse anregen werden." Für Informanten und Kronzeugen soll es darüber hinaus ein reales Hinterzimmer geben - eine Veranstaltungsreihe, die vier Mal im Jahr Face-to-Face-Kommunikation forcieren soll, etwa in Form von Diskussionen oder Blattkritiken.
Wachstumspläne. Zirka 90 Mitglieder hat Dossier bisher gewonnen, bis Jahresende sollen es 1.000 werden. Ein Drittel der Gesamterlöse - knapp 100.000 Euro - will die Plattform heuer durch die Community-Paywall einnehmen. Weitere 200.000 Euro sollen über zwei weitere Standbeine lukriert werden: Kooperationen und Rechercheaufträge für Medien sowie Lehrtätigkeiten im Rahmen der Dossier Academy. "2015 ist für uns ein entscheidendes Jahr. Wir haben keine Sicherheit, dass unser Finanzierungsmodell funktioniert, aber wir glauben daran", zeigt sich Skrabal optimistisch - auch wenn es für Dossier schwieriger sei, Breitenwirkung zu erzielen, weil man keine Werbung schalte. Budget dafür sei aber vorerst keines vorgesehen. "Ich würde als Mitglied auch nicht wollen, dass mein Geld für Werbung ausgegeben wird", erläutert Skrabal. Er rechnet damit, dass die Mitgliedszahlen bei der nächsten Veröffentlichung im Frühjahr in die Höhe schnellen werden. "Vier Dossiers im Jahr und kleinere Veröffentlichungen zwischendurch" plane das Dossier-Team. Weitere Veränderung: Ab Frühjahr wird es die Inhalte auf der Website auch auf Englisch geben. "Wir wollen dieses Jahr auch eine internationale Recherche veröffentlichen, die nach Osteuropa führt", verrät Skrabal.
Autor: Nicole Friesenbichler