Sollte der Umgang mit Drogen liberaler werden? Während in anderen Ländern Konsumenten die Möglichkeit haben, Suchtmittel auf gefährliche Substanzen untersuchen zu lassen, tut man sich in Deutschland noch schwer. Experten fordern ein Umdenken.
Sogenannte Partydrogen haben in Deutschland nach wie vor Hochkonjunktur. Amphetamin, Ecstasy und Kokain - viele Clubbesucher kaufen Drogen auf dem Schwarzmarkt und konsumieren sie, ohne zu wissen, welche Substanzen sich darin befinden. Dabei stellen gerade Streckmittel und Verunreinigungen eine große Gefahr da. Sie reichen von harmlosem Mehl bis hin zu gefährlichem Blei. Aus diesem Grund sprechen sich Experten wie der Toxikologe Volker Auwärter sowie der Suchtmediziner Roland Härtel-Petri schon seit Jahren für Qualitätstests von Drogen aus. "Der Vorteil dieser Praxis besteht darin, dass die Konsumenten ihren Rausch planen müssen und keine impulsiven Entscheidungen treffen", sagt Härtel-Petri, der auch als Crystal-Meth-Fachmann gilt.
"Momentan dürfen nur Apotheken Substanzen analysieren" Ulrich Binder
Das sogenannte Drug-Checking ermöglicht es Konsumenten, illegale Substanzen anonym in Laboren von Drogenhilfe-Einrichtungen auf deren Inhaltsstoffe und Zusammensetzung prüfen zu lassen, ohne mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen zu müssen. In der Schweiz, Österreich und Holland ist die Praxis seit Jahren etabliert. In Deutschland ist das Drug-Checking nicht eindeutig gesetzlich geregelt. "Momentan dürfen nur Apotheken Substanzen analysieren", sagt Ulrich Binder, Geschäftsführer des Stuttgarter Drogenprojekts Release.
Er und sein Team wollen das ändern und die Erlaubnis auf Drogeneinrichtungen ausweiten, dabei schielen sie nach Österreich. Dort prüft die Wiener Uniklinik Drogen, die Studenten und Jugendliche vorbeibringen. Nach Abgabe der Pillen oder Pulver ziehen die Konsumenten eine Nummer. Eine Stunde dauert die Drogenanalyse. In der Zwischenzeit beraten Fachkräfte die Jugendlichen und weisen auf das Risiko einzelner Drogen hin.
Drug-Checking dient als Monitoring
Gibt ein Konsument beispielsweise eine Ecstasy-Tablette ab, muss er einen Schriftbogen ausfüllen und folgende Fragen beantworten: Wie oft konsumierst du Drogen? Welche Drogen konsumierst du? Welche negativen Erfahrungen hast du damit gemacht? Das Drug-Checking dient gleichzeitig als Monitoring. Die Experten erfahren etwas über das Konsumverhalten und über die Drogen, die aktuell auf dem Markt sind. Nach einer Stunde wird die Zusammensetzung der Drogen auf einer Pinnwand veröffentlicht.
"Dieses Angebot steht und fällt natürlich mit der Akzeptanz der Polizei", sagt Binder. Nur wenn zuvor mit den Strafverfolgungsbehörden das Gespräch gesucht werde, mache so ein Angebot Sinn. Binder findet es wichtig, dass das Risiko für Jugendliche minimiert wird und setzt sich für ein Drug-Checking in Stuttgart ein. Er ist zuversichtlich, dass es kommen wird. Schon im Koalitionsvertrag der alten grün-roten Regierung stand, dass die Diamorphinbehandlung mit Landesmitteln unterstützt werden soll. An Konsumenten wird bereits pharmakologisch hergestelltes Heroin als Ersatz für das Opiat ausgegeben - ähnlich wie im Methadon-Programm, das bereits seit Jahren fester Bestandteil im medizinischen Drogenentzug ist.
Zusammenhang zwischen Drogenpolitik und Drogentoten
Binder zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen der Drogenpolitik eines Landes und der Zahl der Drogentoten. Gerade in den Bundesländern, in denen beispielsweise Fixerstuben erlaubt sind, sei die Zahl der Drogentoten gesunken. In Ländern wie Bayern hingegen, die sehr restriktiv vorgehen, sei sie jedoch gestiegen. In München hat die Stadtrats-fraktion aus FDP, Wählergruppe HUT und Piraten jetzt einen Antrag gestellt, der die Stadt München auffordert zu klären, ob Drug-Checking-Einrichtungen möglich sind.
In Hessen steht Drug-Checking inzwischen offiziell im Koalitionsvertrag. Das Bundesgesundheitsministerium antwortet auf eine Anfrage der Badischen Zeitung hingegen, dass man Angebote für Konsumenten zur Prüfung von Drogen ablehne. In Niedersachsen sind die Pläne der rot-grünen Regierung für einen staatlichen Drogen-TÜV bereits vor zwei Jahren gescheitert. Das Sozialministerium begründete die Entscheidung damit, dass es nicht möglich sei, alle Substanzen zu prüfen. Die verfahrenstechnischen und juristischen Hürden seien letztlich zu hoch gewesen, so ein Sprecher des Sozialministeriums.
In der Schweiz läuft das Angebot problemlos. Seit acht Jahren bietet das Zürcher Drogeninformationszentrum (DIZ) Freizeitkonsumenten an, ihre Substanzen prüfen zu lassen. Im Jahr 2014 expandierte das Erfolgsmodell nach Bern. Vergangenen Januar erweiterte das DIZ sein Angebot auch in Zürich um einen weiteren Tag in der Woche.
Gepanschte Drogen, tödliche Trips: Konsumieren Jugendliche Drogen, setzen sie sich zahlreichen Gefahren aus. Wie sagt das deutsche Recht zu Drogenanalysen? Konsumenten, die Betäubungsmittel zu einer Untersuchungsstelle - beispielsweise einer Apotheke - tragen, erfüllen nach dem Betäubungsmittelgesetz den Tatbestand des Erwerbs, Sich-Verschaffens und Besitzes von Betäubungsmitteln. Dasselbe gilt für besorgte Eltern, Trainer oder Arbeitgeber. Polizei und Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, jeden Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu ahnden. Gleichzeitig müssen die Behörden darauf achten, dass das Strafrecht nicht andere Ziele des Gesetzgebers wie Gesundheitsschutz, Lebenshilfe und Therapie zunichtemacht. Interpretiert die jeweilige Landesregierung das Drug-Checking in Drogenberatungsstellen als Gesundheitsvorsorge, könnten Absprachen mit Polizei und Staatsanwaltschaft getroffen werden.
Was mobile Labore betrifft, sieht die Rechtslage so aus: Wenn am Rande von Musikfestivals Drogeninitiativen oder Apotheker in einem mobilen Labor Betäubungsmittel entgegennehmen, um sie zu analysieren, dürfte dies nach § 4 Abs. 1 Nr. 1e BtMG unter die Ausnahme der Erlaubnispflicht fallen, die es Apothekern ermöglicht mit Betäubungsmitteln umzugehen, so ein Gutachten des langjährigen Frankfurter Oberstaatsanwalts Harald Hans Körner. Mobile Labore und Drug-Checking-Einrichtungen sind nach dieser Lesart möglich und eine Frage des politischen Willens.
Autor: Nadine Zeller
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