Nadine Leichter

Diplom Online-Journalistin, Neu-Isenburg

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Mord am Steuer

An dieser Kreuzung töteten Hamdi H. und Marvin M. einen unbeteiligten Autofahrer.© dpa

Kommentar: Wieder sind die Berliner Raser wegen Mordes verurteilt worden. Es ist die nächste Runde in einem Fall, der juristisch schwer zu bewerten ist.


Die Berliner Ku’damm-Raser sind wegen Mordes verurteilt worden. Wieder. Doch es ist nur die nächste Runde in einem Fall, der juristisch sehr schwer zu bewerten ist, gesellschaftlich aber längst sein Urteil gefunden hat.


Das Landgericht Berlin erneuerte sein Urteil gegen die Raser und sieht einen mittäterschaftlich begangenen Heimtücke-Mord mit gemeingefährlichen Mitteln aus niederen Beweggründen bestätigt. Damit erfüllen sie gleich drei Mordmerkmale, wo schon eines für sich genommen zu einer Verurteilung führt. Hamdi H. und Marvin N. töteten also gemeinschaftlich einen arglosen Unbeteiligten mit ihren hochmotorisierten Autos, um eine „kurzzeitige Befriedigung des Raser-Egos“ zu erlangen, wie es der Vorsitzende Richter beschreibt.


Die Verteidiger der Raser kündigten unmittelbar nach der Urteilsverkündung Revision an. Und das mit guten Chancen. Denn: Ohne Vorsatz kann es keine Verurteilung wegen Mordes geben, egal, wie viele Merkmale verwirklicht wurden, fahrlässiges Handeln ist dafür zu wenig. Kernfrage ist also, was sich die Täter gedacht haben, als sie sich in gnadenloser Überschätzung ihrer Fahrkünste und Reaktionsfähigkeit ein rücksichtsloses Wettrennen durch die Berliner Innenstadt geliefert haben, in dessen Ausgang sie einen 69-jährigen Unbeteiligten töteten. Vertrauten sie darauf, dass schon alles gut würde oder wussten sie um das Risiko, dass angesichts ihrer Raserei jemand zu Tode kommen könnte und nahmen das in Kauf? Für das Gericht in Berlin ist klar: Spätestens als Marvin N. die letzte Möglichkeit zum rechtzeitigen Abbremsen seines Autos vor der roten Ampel ungenutzt verstreichen ließ, nahm er den Tod eines Menschen in Kauf, fasste also Tötungsvorsatz.


Dennoch ist die Abgrenzung schwierig. Der Unterschied im Strafrahmen beträgt mindestens zehn Jahre. Das ist kein Urteil, mit dem Gerichte schnell oder mit laxer Begründung bei der Hand sein sollten. Zu Recht hatte der BGH das erste Urteil im Fall wegen zu knapper Urteilsbegründung gerügt. Hoffentlich hat die Berliner Kammer in diesem zweiten Anlauf sauber begründet, damit ihre Entscheidung auch einer Revision standhält. Das prozessuale Hin und Her ist für die Hinterbliebenen des Opfers sicherlich nur schwer zu ertragen.

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