Moritz Elliesen

Journalist | Internationale Politik und Wirtschaft | Redakteur epd

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Ohne Gepäck direkt nach Kabul

Ein junger Afghane wird aus Bayern abgeschoben. Er soll ein "hartnäckiger Identitätsverweigerer" sein. Doch sein Anwalt erhebt jetzt Vorwürfe gegen Behörden und Polizei.

Nach der Sammelabschiebung nach Afghanistan vor einer Woche wird Kritik an den Behörden laut: Der 26-jährige Baryalai Salimi wurde am vergangenen Mittwoch als „hartnäckiger Identitätsverweigerer" von Frankfurt nach Kabul ausgeflogen - ohne seine Habseligkeiten mitnehmen zu können. Sein Anwalt erhebt sowohl gegen die bayerischen Behörden als auch die Bundespolizei am Frankfurter Flughafen Vorwürfe.

Sein Mandant habe sich nichts zu Schulden kommen lassen, sagte Anwalt Philipp Pruy der Frankfurter Rundschau. Er habe lediglich seine Geburtsurkunde, die ihm im April 2016 ausgestellt wurde, erst im Frühjahr 2017 bei der Ausländerbehörde vorgezeigt. Pruy wirft den Behörden auch vor, dass sein Mandant, der in Bayreuth lebte, ohne seinen Besitz nach Afghanistan ausreisen musste.

Salimi wurde demnach am 6. Dezember morgens festgenommen, als er sich wie vorgeschrieben bei der oberfränkischen Ausländerbehörde meldete. Von dort sei er, ohne nochmals in seiner Unterkunft vorbeifahren zu dürfen, zum Frankfurter Flughafen gebracht worden.

Ein Sprecher der Bundespolizei bestätigte auf Anfrage der FR, dass Salimi ohne jegliches Gepäck an Bord des Flugzeuges gegangen sei. Man habe überprüft, ob seine Kleidung ausreichend warm sei, sagte der Sprecher. Fehlendes Gepäck sei für die Behörde aber kein Grund, jemanden nicht abzuschieben. Pruy bezeichnete es als „skandalös" einen Menschen ohne sein Eigentum abzuschieben. Er plane eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den diensthabenden Polizisten am Flughafen.

Nach einem Innenministerbeschluss dürfen derzeit ausschließlich sogenannte Gefährder, Straftäter und Afghanen, die ihre Identität nicht preisgeben, abgeschoben werden. Wie das konkret ausgelegt wird, entscheiden allerdings die Länder.

Bayern erhöhen den Druck

Der bayerische Flüchtlingsrat kritisiert, Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lege diese Kategorien besonders hart aus. Dass ein verzögertes Vorzeigen der Geburtsurkunde ausreiche, um als „hartnäckiger Identitätsverweigerer" zu gelten sei ein „bayerischer Sonderweg", sagte Stephan Dünnwald, Sprecher des Flüchtlingsrates, der FR. Nach Angaben der Organisation lebten 64 der 155 seit dem Jahr 2016 abgeschobenen Afghanen in Bayern. Laut Landesinnenministerium kamen 17 der 27 am Mittwoch Abgeschobenen aus Bayern. Dünnwald vermutet „gezielte Panikmache". So „soll Druck erzeugt werden, damit die Menschen freiwillig zurückkehren", sagte er. „Auch anerkannte Flüchtlinge bekommen es mit der Angst zu tun."

Laut dem Global Peace Index 2017 ist Afghanistan das zweit-unsicherste Land der Welt - nur in Syrien ist es demnach gefährlicher. „Wenn Deutschland schon nach Afghanistan abschiebt, sollten wenigstens grundlegende Standards, wie zum Beispiel die Menschenwürde eingehalten werden", sagt Pruy. „Hierzu gehört, dass man dem Menschen zumindest die wenigen Habseligkeiten, die er besitzt, mitgibt." Auch der evangelische Landesbischof Bayerns, Heinrich Bedford-Strohm, äußerte Kritik. Das Vorgehen sei „nicht zu rechtfertigen", schrieb er am Mittwoch auf Facebook.

Ein Sprecher des bayrischen Innenministeriums bezeichnete die Abschiebung auf Anfrage als „rechtmäßig". Salimi habe seine Geburtsurkunde erst nach mehrfacher Aufforderung vorgelegt. Die Abschiebung sei zudem von einer Entscheidung des Verwaltungsgericht in Bayreuth gedeckt. Und der Sprecher fügte hinzu: „Bayern steht für eine konsequente Abschiebepraxis."

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