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Europa verschiebt seine Außengrenze nach Afrika

Viel Hoffnung, wenig Gepäck: Migranten nahe der nigrischen Stadt Agadez auf dem Weg nach Norden. (Foto: Issouf Sanogo/AFP)

Brüssel sucht auf dem Kontinent nach Partnern, die Fliehende stoppen. Dabei schreckt die EU auch vor Vereinbarungen mit Diktaturen nicht zurück.

Die Fernsehbilder sollten für sich sprechen: Beim EU-Gipfel Mitte Dezember nahm sich Angela Merkel trotz ihres engen Terminplans Zeit für ein Treffen mit Nigers Präsident Mahamadou Issoufou. Der Staatschef, mit dessen Namen bis vor Kurzem nur Spezialisten etwas anfangen konnten, eilte erfreut auf die Kanzlerin zu, die beiden begrüßten sich vor den Kameras wie alte Bekannte - mit Wangenküsschen.

Niger ist einer der wichtigsten Transitstaaten für Flüchtlinge aus Afrika auf dem Weg nach Europa. Das Land steht für die Pläne der EU, die Zahl der Flüchtlinge zusammen mit mehreren afrikanischen Staaten zu verringern. Seit einem halben Jahr gilt eine sogenannte Migrationspartnerschaft mit dem westafrikanischen Staat. "Es geht darum, Leben im Mittelmeer zu retten. Menschen ohne Bleiberecht sollen schneller zurückgeführt und Menschen sollen möglichst in der Nähe ihrer Heimatländer bleiben", sagte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans zum Start der neuen Migrationspartnerschaften im Juni dieses Jahres.

Seit dem Sommer laufen Partnerschaften mit Mali, Niger, Nigeria, Senegal und Äthiopien

Der Pakt markiert einen Kurswechsel, der mit dem Arabischen Frühling seinen Anfang genommen hatte: 2011 stürzten Protestbewegungen die Diktaturen in Tunesien und Libyen - Regime, die viele Jahre die Grenzen streng bewacht hatten. Mit ihrem Sturz stieg die Zahl der Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen, immer stärker an. Seither versucht die EU Ersatz zu finden - Partnerländer, welche die Fliehenden aufhalten. Die Frage ist nur: Wie weit geht man bei der Zusammenarbeit? Wie weit lässt man sich auf Diktatoren ein?

Brüssel setzt inzwischen auf unzählige neue Programme und Instrumente. Mit manchen geht die EU offen um, andere handelt sie lieber in vertraulichen Papieren ab. Denn zu den neuen Partnerländern südlich der Sahara gehören nicht nur einigermaßen unbedenkliche Länder wie Niger, sondern auch Staaten, deren Menschenrechtsbilanz verheerend ist. Nach dem umstrittenen Flüchtlingspakt mit der Türkei wirft die EU damit neue Fragen nach ihren Werte-Maßstäben auf.

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