Mona Linke

Freie Journalistin, Berlin

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Investieren in leere Hüllen | Finanzfluss

Erstmals seit 2008 geht nun auch ein deutscher SPAC an die Börse - aber was steckt eigentlich hinter dem Trend um die "Mantelfirmen", der jetzt von der Wallstreet herüberschwappen könnte?

"Blind Booking" nennen Fluggesellschaften eines ihrer Angebote, das sie besonders zur Spontanität neigenden Kunden gern ans Herz legen. In coronafreien Zeiten, versteht sich. Blind-Booking jedenfalls meint, dass der Fluggast ein Ticket zum Festpreis kauft und auch eine Reisezeit wählt - nicht aber die Destinition. Wo es am Ende hingeht, erfährt er erst, wenn er mit gepackten Koffern am Terminal steht. Ein ähnliches Angebot bieten auch die hiesigen Kinos: Wer die wöchentliche Sneak Peek besucht, hat vorher keine Ahnung, welcher Streifen in den nächsten Stunden über die Leinwand flimmern wird. In beiden Fällen wird quasi die Katze im Sack gekauft. Eine Methode, die sich inzwischen auch an den Finanzmärkten etabliert hat.

Denn auch Aktionäre von sogenannten SPACs haben vor ihrem Investment keine Ahnung, worin sie ihr Geld überhaupt stecken. Im Grunde weiß es zu diesem Zeitpunkt noch niemand so recht - und das ist das Prinzip der SPACs, um die sich in den vergangenen Monaten ein riesiger Hype gesponnen hat, allen voran in den USA. Dabei gehen grob gesagt Investoren mit leeren Firmenmänteln an die Börse, um später mit einem anderen Unternehmen zu fusionieren und dieses in einen Wallstreet-Liebling zu verwandeln - das Ganze mit Hilfe der Aktionäre, die den Deal-Makern ihr Erspartes anvertrauen. Während einem "Blind Booker" oder Sneak-Peek-Besucher also allenfalls ein sterbenslangweiliger Urlaub oder ein miserabler Horrorfilm blühen, können SPACs-Anleger bei dem Ganzen ein Vermögen verlieren. Sie können aber auch fulminante Gewinne einstreichen, was den aktuellen Boom zum Teil erklären dürfte. Wie das Geschäft mit den "leeren Firmen" genau funktioniert, wer am meisten davon profitiert und worauf Anleger achten sollten, erklären wir in diesem Blogartikel.

Wie funktionieren SPACs genau?

SPAC ist die Abkürzung für Special Purpose Acquisition Company, was übersetzt so viel bedeutet wie "Übernahmefirma mit Aquisitionszweck". Konkret handelt es sich bei SPACs um leere Firmen ohne operatives Geschäft oder auch "Blankoscheck-Gesellschaften", die allein mit dem Ziel gegründet werden, später eine andere Firma zu übernehmen. Das funktioniert, indem die Initiatoren mit ihrer "Unternehmenshülle"an die Börse gehen und dabei Geld von Investoren einsammeln. Mit diesem Kapital machen sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Unternehmen, mit dem sie verschmelzen könnten. Einzig das Themenfeld steht von vornherein fest: Den Investoren wird also mitgeteilt, ob es sich beispielsweise um eine Firma aus dem Bereich Erneuerbare Energien, Biotech, Landwirtschaft oder Finanzen handeln soll. In der Regel haben die SPACS-Manager dann 24 Monate Zeit, ein geeignetes Unternehmen auszumachen und zumindest eine Absichtserklärung zum Unternehmenszusammenschluss vorzulegen. So lange liegt das Geld der Investoren, also die Emmissionserlöse, auf einem niedrig verzinsten Treuhandkonto. Ist die Fusion abgeschlossen, wird auch das SPAC operativ tätig unter dem Namen der gekauften Firma. Die behält ihr Geschäftsmodell bei und macht grob gesagt weiter wie bisher - nur dass sie dazu die Rechtsform und Börsennotierung der Mantelfirma, also der SPAC übernimmt.

Beim SPAC Börsengang vergeben die Initiatoren sogenannte Units, also Einheiten, bestehend aus einer Aktie und einem Optionsschein, mit dem der Anleger in Zukunft weitere Aktien oder Bruchteile von Aktien zu einem vorher festgelegten Preis erwerben kann (sofern der Deal zustande kommt). Die Aktien werden in der Regel für 10 Dollar pro Stück ausgegeben. Diese Anteile können Anleger, wenn sie wollen, zurückgeben und erhalten im Gegenzug ihr ursprüngliches Investment zurück. Hinzu kommen die Zinsen, die in der Zwischenzeit auf dem Treuhandkonto zusammengekommen sind. Allerdings wird das Kapital der Geldgeber ausschließlich in extrem risikoarme Anlagen gesteckt, zumeist in US-amerikanische Staatsanleihen. (...)


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