Mona Linke

Freie Journalistin, Berlin

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Artikel

„Ein Leben hinter Louis Vuitton"

Vor einem Haus in Prenzlauer Berg hängt seit Monaten eine Werbewand. Die Bewohner klagen über Dunkelheit und schlechte Luft - und der Bezirk jagt einem untergetauchten Hauseigentümer hinterher.


Behutsam hebt Manuela Schröder* den schweren Blumentopf an, aus dem nur noch ein einzelner mickriger Stiel mit zwei Blättern herausragt. „Das war meine Bananenpflanze", sagt sie und stellt den Topf zurück auf ein kleines Höckerchen. Drumherum noch mehr Töpfe und noch mehr vertrocknete Pflanzen darin. „35 sind schon eingegangen", sagt Schröder und lässt einen wehmütigen Blick durch ihren großzügigen Wintergarten schweifen.

Es ist der hinterste Raum in dem schicken Gründerzeit-Altbau zwischen Rosenthaler Platz und Rosa-Luxemburg-Platz, den die Gesundheitswissenschaftlerin seit elf Jahren bewohnt - und der mit seinen stuckverzierten hohen Decken und den abgezogenen Dielen für viele Berliner der Traum ihrer schlaflosen Nächte sein dürfte.

Gäbe es da nicht etwas, das das Leben an der Torstraße 39 seit einem halben Jahr trübt: Es ist eine gigantische dunkelgraue Werbeplane, die an einem Baugerüst direkt vor den Fenstern hängt und das gesamte Vorderhaus in ein neblig-trübes Licht hüllt. Wie ein dunkler Vorhang schirmt die Plane, auf der eine Luxusmarke wirbt, die Wohnungen von Tageslicht und frischer Luft ab. Schröder nennt es „ein Leben hinter Louis Vuitton".


Nachts dagegen herrscht an der Torstraße 39 ein ganz anderer Extremzustand: Denn dann entfalten insgesamt vierzehn Scheinwerfer ihre Wirkung und lassen das Werbeplakat bis zum Sonnenaufgang in grellem Flutlicht erstrahlen. „Nach zwei Monaten war unser Tag-Nacht-Rhythmus so gestört, dass wir teilweise mitten in der Nacht zu Mittag gegessen haben", berichtet die Berli...

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