Im Herbst könnte es zurück an die Uni gehen - das versprechen einige Bundesländer. Studierendenvertreter Paul Klär fordert einen Stufenplan der Hochschulen.
Knapp drei Millionen Studierenden könnten bald wieder an die Hochschulen. Paul Klär vom freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) tauscht sich regelmäßig mit etwa 90 Studierendenvertretungen in Deutschland aus. Er ist skeptisch, ob das Öffnen so einfach wird.
ZEIT Campus: Zurück an die Uni geht es erst, wenn viele Studierende geimpft sind. Wie läuft das gerade?
Paul Klär: Noch schleppend. Bis die Priorisierung in Impfzentren am 7. Juni aufgehoben wurde, haben die meisten Studierenden zur letzten Gruppe gehört. Sie konnten sich dort also nicht impfen lassen. Dazu kommt: Viele junge Menschen haben keinen Hausarzt oder keine Hausärztin, bei dem sie vielleicht schneller einen Termin bekommen hätten. Dass jetzt einige Länder und Hochschulen wie die Unis in Heidelberg und Leipzig gezielt Impfkampagnen gestartet haben, ist ein erster wichtiger Schritt. Nur von ein paar Studierenden habe ich gehört, dass sie skeptisch sind, sich gerade jetzt impfen zu lassen. Die Prüfungszeit startet bald. Sie haben Angst, wegen Impfreaktionen Lernzeit oder eine Klausur zu verpassen. Weil das aber zum Glück eher Ausnahmen sind, bin ich zuversichtlich, dass bis zum Wintersemester ein Großteil der Studierenden geimpft sein wird.
ZEIT Campus: In ein paar Monaten könnte an den Hochschulen also fast alles sein wie vor der Pandemie?
Klär: Ich glaube nicht an einen Normalbetrieb im Herbst. Niemand weiß, wie sich weiterentwickelt. Trotzdem muss der Campus als sozialer Raum langfristig funktionieren, auch bei leicht steigenden Corona-Zahlen. Für die psychische Gesundheit der Studierenden ist es wichtig, dass sie in der Bibliothek arbeiten oder mit anderen in der Mensa Mittag essen können.
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ZEIT Campus: Wie soll das funktionieren?
Klär: Manche Unis haben grobe Pläne oder Ziele verkündet. In Freiburg etwa sollen Erstsemester auf jeden Fall an die Uni dürfen - wie genau, ist noch unklar. Ähnliches plant die RWHT in Aachen. Dort sollen zudem Vorlesungen online und kleinere Veranstaltungen in Präsenz stattfinden. An der Goethe-Universität in Frankfurt will man Vorlesungen hybrid anbieten. Das heißt, dass manche vor Ort teilnehmen können und andere von zu Hause über einen Stream. Problematisch sind die Hochschulen, die sich komplett auf die Ansagen der Länder verlassen. So ist das zum Beispiel in Karlsruhe, wo ich studiere: Da kommt eine Corona-Schutzverordnung vom Land, die einen Tag später in Kraft tritt und die Uni muss die dann innerhalb weniger Tage umsetzen. Viele Hochschulen fahren nicht auf Sicht, das heißt sie halten strikt an einem Plan A fest, haben aber für den Fall, dass sich die Situation ändert, keinen Plan B. So kann man kein Semester planen. Ich würde mir aber wünschen, dass sie nicht einfach abwarten, sondern sich vorher konkrete Gedanken darüber machen, wie sie die Situation verbessern können und zur Not das Land um finanzielle Unterstützung bitten. Grundsätzlich sehe ich die Öffnungspläne eher skeptisch und appelliere an die Hochschulen, da unbedingt zweigleisig zu fahren.
ZEIT Campus: Wie könnte das konkret aussehen?
Klär: Die Studierenden brauchen einen klaren Stufenplan, der zeigt, wann wir die Regeln lockern müssen und wann verschärfen. Ist eine Inzidenz stabil und absehbar auf niedrigem Niveau, sollten Unis Präsenzveranstaltungen mit Hygienekonzept ermöglichen: Maskenpflicht, eine begrenzte und feste Personenanzahl und Testmöglichkeiten direkt auf dem Campus wie in Berlin oder Köln. Sollten die Inzidenzen steigen, muss klar sein: Ab dieser Stufe gibt es nur noch Onlineunterricht, ab dieser Stufe müssen Bibliotheken schließen, und so weiter. Für Bibliotheken und Mensen könnten ähnliche Regeln gelten wie für die Gastronomie und Museen: Abstand, Maske, Test. Und langfristig sollten die Unis auch umbauen: Es gibt immer noch Räume ohne Fenster in Unis oder welche, in denen man sie nicht öffnen kann. Die können während einer Pandemie nicht genutzt werden.
ZEIT Campus: Ist das denn so einfach umsetzbar?
Klär: Ich glaube schon, dass sich das meiste recht unkompliziert umsetzen lässt. Sicher ist aber auch: Für eine bessere Onlinelehre braucht es mehr Personal. Denn Onlineunterricht braucht mehr Ressourcen als vor Ort. Die Hürden für Studierende, bei Problemen nachzufragen, ist über Zoom höher als im Seminarraum. Die Dozierenden bekommen mehr Rückfragen und sind ohnehin überlastet. Hier hat die Politik die Unis allein gelassen. Es ist anderthalb Jahren lang verschlafen worden, personell nachzurüsten.
ZEIT Campus: Steuern wir also auf ein weiteres unvorbereitetes Onlinesemester zu?
Klär: Ich glaube, dass Seminare oder Workshops in Kleingruppen mit einem Hygienekonzept vor Ort möglich sein werden. Unrealistisch halte ich die großen Vorlesungen mit mehreren Hundert Studierenden. Denn das Virus wird, mit Mutationen und Varianten, immer wieder zurückkommen. Vor allem Vorlesungen sollten weiterhin digital stattfinden. Das fordern die Studierendenvertretungen schon länger: Vorlesungen aufzeichnen und online stellen. Damit können Studierende flexibler sein, etwa wenn sie arbeiten oder ein Kind haben.
ZEIT Campus: Welche Fächer sollten in Präsenz stattfinden?
Klär: Sport oder künstlerische Fächer wie Musik, Schauspiel oder Tanz. Das gleiche gilt für Studienfächer, bei denen man praktisch arbeiten muss, zum Beispiel im Labor. Hier sollte es Sonderregelungen geben. Denn die Studierenden müssen sicher sein können, dass sie trotz Pandemie, ihre Ausbildung absolvieren können. Aber auch hier muss vorher klar kommuniziert werden, bis zu welchen Inzidenzen das möglich sein kann und ab wann man wieder einschränken muss. Und dafür braucht es eben einen Stufenplan.