Von Wahlbetrug ist die Rede. Und von Missmanagament. Die vier Altpräsides Nikolaus W. Schües, Karl-Joachim Dreyer, Peter Möhrle und Fritz Horst Melsheimer gehen mit ihrem Nachfolger hart ins Gericht.
Bergmann und sein Präsidium hätten die Wirtschaftsvertretung in die politische Bedeutungslosigkeit geführt, so die Ex-Präsides. „Die großen Unternehmen, Arbeitgeber und Ausbildungs-Betriebe sehen sich kaum mehr repräsentiert. Es ist ein tiefer Graben zwischen wesentlichen Teilen der Kaufmannschaft und der neuen Kammerführung entstanden", behauptet Ex-Präses Dreyer.
Nicht abgeschaffte PflichtbeiträgeEin Dorn im Auge ist den Alt-Pfeffersäcken außerdem ein nicht eingelöstes Wahlversprechen des 45-Jährigen: Bergmann hatte im Wahlkampf angekündigt, im Falle eines Sieges die Pflichtbeiträge für Mitglieder abzuschaffen. Doch kurz nach seinem Amtsantritt kassierte er dieses Versprechen wieder - die Gelder würden dringend benötigt.
Grund seien Pensions-Verpflichtungen in Höhe von 110 Millionen Euro. „Mit freiwilligen Beiträgen kann man diese Verpflichtungen nicht erfüllen", so Bergmann im August. Von dieser Summe habe er vor der Wahl noch nichts gewusst, ihr Umfang sei aus den öffentlichen Bilanzen nicht abzuleiten gewesen.
So wollen das die Alt-Präsides nicht stehen lassen: Die Pflichtbeiträge seien „wider besseres Wissen als überflüssige Belastung der Mitglieder dargestellt worden", kritisiert Dreyer.
Boykott der AbschlussveranstaltungIhren Unmut über die neue Führung wollen die Ex-Vorsitzenden nun auch dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie die traditionelle Jahresabschlussveranstaltung in der Kammer boykottieren. Die „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns" findet am 29. Dezember statt. Sie wird vom gleichnamigen Verein, einem Zusammenschluss von rund 1200 Hamburger Unternehmern, organisiert.
In diesem Jahr soll neben Präses Bergmann erstmals auch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das Wort erhalten. Auch das passt den Altpräsides nicht: „Seit Jahrhunderten ist es ein Forum der Wirtschaft, der Politik die Haltung und Positionen der Kaufmannschaft zu den zentralen Themen der Stadt darzulegen. Kritisch, aber konstruktiv. [...] Guter Brauch war es, dass an diesem einen Tag die Politik einmal nur zuhört", so Dreyer. Wenn Bergmann nach dem Zoff mit der etablierten Kaufmannschaft die Versammlung selbst als Bühne für sich nutze, sei dies „eine Farce", ergänzt Schües.
Tiefe Gräben in der KammerDie Streitigkeiten und Zerwürfnisse dürften alle Beteiligten mit ins neue Jahr nehmen. Denn dass die Altpräsides Ruhe geben, scheint erstmal unwahrscheinlich. Bergmann hatte ihnen mit seinem Erdrutschsieg bei der letzten Kammer-Wahl eine empfindliche Niederlage zugefügt. Er und die sogenannten Kammer-Rebellen hatten neben den Pflichtbeiträgen insbesondere den in ihren Augen viel zu hohen Verdienst des damaligen Präses Schmidt-Trenz angeprangert.
Die Altpräsides hoffen nun darauf, dass sich die politischen Verhältnisse mit der nächsten Kammerwahl wieder ändern. Das Plenum werde dann hoffentlich „wieder zum Spiegelbild der gesamten Hamburger Wirtschaft", sagt Schües. „Die großen Arbeitgeber und Steuerbringer der Stadt sollen wieder eine kraftvolle, einflussreiche Stimme bekommen."
Was ist die Handelskammer?
Die Handelskammer Hamburg ist die älteste deutsche Handelskammer und wurde im Jahr 1665 gegründet. Mit rund 160.000 Pflichtmitgliedern gilt sie als wichtigste Interessensvertretung der Hamburger Wirtschaft - mit Hilfe von Pflichtbeiträgen werden jährlich knapp 40 Millionen Euro eingenommen. Rund 300 Mitarbeiter sind bei der Institution angestellt. Sie beraten die Mitgliedsunternehmen und helfen Existenzgründern.