Mirco Drewes

Freier Journalist, Lektor und Publizist, Berlin

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3. Berliner Impromarathon - Bühne in ihrer impulsivsten Form

Auch beim Impro Marathon 2014 dürfen die Schauspieler keine Scheu vor albernen Gesten haben. Foto: Michael Wartmann

Auf einer Bühne vor Publikum zu stehen, ist für viele Menschen per se eine albtraumhafte Vorstellung. Und dann nicht zu wissen, was man sagen soll, während viele Augenpaare auf einen gerichtet sind, macht es nicht besser. Aber manchen Menschen bereitet dies sogar Freude: Heute findet in der Brotfabrik am Caligariplatz der 3. Berliner Impro Marathon statt.


Tag des Baumes


Die Schauspielerlegende Georg Thomalla bezeichnete Improvisation einmal als die Kunst, ohne Anlauf durch den Stegreif zu springen und so ein kreativer Bocksprung ist schon eine Leistung. Im Kulturhaus Brotfabrik, das in diesem Jahr 25. Jubiläum feiert, treten am heutigen Sonnabend 20 Improvisationsgruppen ohne Anlauf zum Marathon an. Von 15 Uhr bis 3 Uhr wird auf vier Bühnen zwölf Stunden lang Improvisationstheater in all seinen Facetten gegeben. Das Datum des Berliner Impro Marathons ist zugleich der Internationale Tag des Baumes: Die Veranstalter haben „Auf Bäumen“ als kreativ zu umspielendes Motto ausgegeben.


Und „Aufbäumen“ passt ohnehin ganz gut, denn Improvisationstheater bedeutet, Bühne in ihrer impulsivsten Form zu erleben. Kein Netz, Angstschweiß, kein doppelter Boden. Das sei Theater für Draufgänger und Adrenalinliebhaber, wie Schauspieler und Mitorganisator Daniel Halft mit funkelnden Augen erklärt. Texte einzustudieren, erübrigt sich. Der Souffleur gibt ohnehin nur Stichworte, auf die kein Schauspieler vorbereitet sein kann. Denn der Souffleur, das ist das Publikum, die Dramaturgie eine Frage von Sekundenentscheidungen. Die Schauspieltruppen starten ihre Darbietungen zu einem unmittelbar zuvor festgelegten Thema. Wie das Geschehen auf der Bühne weitergeht, entscheiden die Zuschauer durch ihre Einwürfe. Die Schauspieler müssen diese umgehend in ihre Szene einbauen. Aus dieser Grundidee des Improvisationstheaters entsteht eine Dynamik, die Besucher und Darsteller zusammenschweißt und „Stücke“ hervorbringt, die in der Tat einmalig sind, wie Organisator Mirko Fichtner betont.


Erfolgsverwöhnte "Gorillas"

Doch die Schauspieler beweisen nicht nur langen Atem bei kurzer Reaktionszeit. Das sportive Element eines Marathons wird ernst genommen. Die Gruppen kämpfen um die Gunst des Publikums und um den Gesamtsieg beim 3. BIM. Die Regie führt der Zufall, über den Sieg entscheiden die Zuschauer. Im Anschluss an jede Szene vergeben die Besucher Punkte in verschiedenen kreativen Disziplinen. Diejenige Schauspieltruppe, die am Ende des langen Spieltags die meisten Punkte gesammelt hat, ist Sieger des 3. Berliner Impro Marathons.

Für die Organisatoren des Festivals geht es um mehr als einen Tag mitreißender Unterhaltung. Die Vielfalt der Berliner Improtheaterszene soll erlebbar gemacht werden. Knapp 50 regelmäßig auftretende Gruppen gibt es in Berlin. Damit, so Fichtner, bilde Berlin das „europäische Zentrum des Improtheaters“. Mit dem Ratibor Theater, in welchem die erfolgsverwöhnten „Gorillas“ ihre Heimstatt haben, und dem Bühnenrausch verfügt die Hauptstadt über zwei Bühnen, die sich gar komplett dem Genre verschrieben haben.


Dargeboten werden Improvisationen in den verschiedensten Spielarten: Auf den vier Bühnen gibt es Kurz- und Langformen zu sehen, vom Märchen über die Gesangsshow bis hin zum Krimi. Letztlich lässt sich in jedem Genre improvisieren, wenn man sich aufs Improvisieren versteht.


Beeindruckende Kondition


Nicht nur auf der Bühne wird Kreatives geboten. In Kooperation mit dem Berliner Waldmuseum wird Kindern spielerisch das Thema Wald nähergebracht. Auf dem Platz vor der Brotfabrik können sie aus Baumscheiben Puzzle und Igel aus Kiefernzapfen basteln. Zudem gibt es eine Happy Hour: Bis 17 Uhr können Vollzahler bis zu drei Kinder auf ihre Karte mitnehmen.

Nils Foerster, Bühnenleiter der Brotfabrik, sieht dem Festival mit großer Vorfreude entgegen. Der Zuschauerzuspruch im vergangenen Jahr war mehr als erfreulich: „Wenn das so weitergeht, müssen wir anbauen.“ Besonders beeindruckt habe ihn die Kondition vieler Besucher. „Wir hatten Zuschauer, die den ganzen Tag hier waren. Es ist ein einmaliges Erlebnis, gemeinsam die Zeit zu erleben“, beschreibt Foerster das Zusammenwachsen von Publikum und Schauspielern im Verlaufe des Marathons.


Für den 3. Berliner Impro-Marathon verspricht Fichtner den Zuschauern „Inspiration und Überraschung“. „Es wird ein gesunder, bunter und über sich hinaus wachsender Mischwald der Emotionen werden“, feixt Kollege Halft mit Blick auf das diesjährige Motto. Und gibt einen Einblick in die Seele des Ausdauertheatersportlers: „Es ist erstaunlich, wie weit dich Euphorie und Adrenalin trägt.“


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