Mirco Drewes

Freier Journalist, Lektor und Publizist, Berlin

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Rezension

Bio-Pic und Dokudrama - Das Ende der Geduld

Ihr Wirken polarisierte, ihr Tod sorgte für Spekulationen: Ein Film widmet sich Jugendrichterin Kirsten Heisig


Ihr Tod am 28. Juni 2010 sorgte für Schlagzeilen. Die Neuköllner Jugendrichterin Kirsten Heisig hatte mit ihrer Kritik an der Strafverfolgung jugendlicher Intensivtäter immer wieder die Öffentlichkeit gesucht. Mit ihrem posthum erschienen Sachbuch „Das Ende der Geduld“ wollte sie eine Diskussion über die juristische Praxis und den sozialen Umgang mit jungen Straftätern anschieben. Heisig strebte eine enge Verzahnung von Sozialarbeit, Schulen und dem familiären Umfeld jugendlicher Straftäter an sowie eine Beschleunigung der Rechtsprechung. Im Ringen um ihre Ziele setzte sie sich über Gebote der Diskretion hinweg und schlug politisch umstrittene Töne an. Ihr forsches Auftreten brachte ihr zusätzliche Kritik ein. Der Boulevard stilisierte Heisig, die sich gegen eine Verschärfung der Gesetze ausgesprochen hatte, zur „Richterin Gnadenlos“. In der Politik und im Justizwesen machte sie sich unbeliebt und legte sich mit kriminellen Clans an. Am 3. Juli 2010 wurde Kirsten Heisig im Tegeler Forst erhängt aufgefunden. Anfang Juni 2010 war das „Neuköllner Modell“ auf ganz Berlin übertragen worden, sie hatte die Arbeit an ihrem Buch beendet. Heisig hatte keinen Abschiedsbrief hinterlassen. An einen Suizid wollten weder Mitstreiter noch Kritiker glauben. Ihr Buch wurde posthum zum Bestseller.

 

Der Film 

Nach dem Drehbuch von Stefan Jähnert wird die Geschichte der fiktiven Jugendrichterin Corinna Kleist erzählt. Diese gerät als Neuköllner Jugendrichterin an den noch nicht strafmündigen libanesischen Jungen Rafiq, Drogenkurier im Clan seines großen Bruders. Kleist will dessen vorgezeichnete Kriminalitätskarriere nicht akzeptieren. Sie versucht Verantwortung zu übernehmen und fordert diese auch von den Eltern, der Schule, der Justiz und Politik ein. Dabei macht sie sich viele Feinde und gerät in eine Isolation, die sie durch ihre Kompromisslosigkeit herausfordert. Ihr unbedingter Willen zum Guten beschwört Böses herauf.

 

Regisseur Christan Wagner erzählt diese tragische Geschichte diskret. Er bleibt eng bei seiner Hauptdarstellerin Martina Gedeck, verzichtet aber auf tiefe Einblicke ins Innenleben seiner Hauptfigur. Das Bio-Pic zeigt eine beharrliche Richterin, die sich und ihre Mitmenschen im Kampf gegen Jugendkriminalität stark fordert und oft überfordert. Das emotionale Drama spiegelt sich im Stillen – Erschöpfung und Verzweiflung sind in den kleinen Gesten einer Frau zu erkennen, die sich selbst nicht schont. Warum Corinna Kleist Fan der deutschen Fußballnationalelf ist, bleibt freilich ein Rätsel.