Alkoholfreie Getränke sind nur etwas für Schwangere und Kinder. Dass jemand freiwillig im Club oder beim Dinner kein Bier oder Wein trinken möchte, klingt für viele Menschen immer noch undenkbar. Zum Feiern gehört doch ein Cocktail! Und nach einem anstrengenden Arbeitstag hat man sich doch auch sein Bierchen verdient, oder? „Alkohol gehört in allen Gesellschaftsschichten zum Lebensstil", stellte Helmut Seitz, Professor für Alkoholforschung an der Universität Heidelberg, kürzlich im ZEITmagazin fest. Social Drinking sei in Mode, pflichtete ihm sein Gesprächspartner Steven Dooley, Professor für Molekulare Hepatologie, bei.
Statistisch gesehen sind die Deutschen den Spirituosen definitiv nicht abgeneigt. 2015 lag der Konsum reinen Alkohols pro Kopf laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (PDF hier) bei 9,6 Litern, also weit über dem weltweiten Durchschnitt von 6,2 Litern. Gleichzeitig geht die Zahl hierzulande zurück. 1990 waren es immerhin noch 12,1 Liter Alkohol, die jede*r Einwohner*in trank. Insbesondere die Jüngeren konsumieren laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) immer weniger alkoholische Getränke. 70 Prozent der 16- bis 21-Jährigen in Deutschland gaben bei einer Umfrage an, „gelegentlich oder nie" zu trinken.
[Außerdem auf ze.tt: Alltagsalkoholismus: Uns fällt gar nicht mehr auf, wie viel wir trinken]Das passt zu einer Welt, in der Achtsamkeit und die Optimierung des eigenen Körpers oberste Priorität haben. Immer mehr Menschen sind sich darüber bewusst, dass Alkohol nicht nur ein soziales Schmiermittel, sondern vor allem auch ein persönlichkeitsverändernder Stoff ist. Kurzum: ein Gift. Wer Alkohol aus gesundheitlichen Gründen nicht trinken darf, verzichtet schon lange nicht mehr nur darauf. Stichwort: Detox, Straight Edge, Dry January oder Clean Eating.
Auch ohne Alkohol Spaß habenIn Berlin - ja, in der Stadt, die eigentlich für ihr wildes Nachtleben bekannt ist - widmen sich mittlerweile ganze Partyreihen diesem Phänomen. 2014 schwappte Morning Gloryville von London in die deutsche Großstadt, ein Feierkonzept, bei dem sich fröhliche Menschen noch vor der Arbeit zum Tanzen treffen, um sich mit Smoothies und frisch gepressten Säften zuzuprosten, sich durch einen Yoga-Flow zu atmen oder massieren zu lassen. „Rave your way into the day", lautete das Motto des „bewussten Clubbings".
Vergangenes Jahr zog Sober Sensation nach. Auf den Partys, die DJ Gideon Bellin veranstaltet, gibt es ausschließlich alkoholfreie Drinks wie Kombucha und lokal gerösteten Kaffee. „Ein gesunder Lebensstil schließt Feiern nicht länger aus", heißt es auf der Website. „Wir glauben an die Kraft des natürlichen Rauschs." Die Essenz eines guten Events sei die soziale Energie. Die Reihe richtet sich an Menschen, die keinen Alkohol mögen; an Menschen, die genug von verrauchten Bars haben, die gesundheitsbewusst leben oder viel arbeiten müssen. Die Veranstaltungen starten entsprechend bereits um 18 Uhr, das Vorglühen kann man sich sparen. Gefeiert wird in wechselnden Locations mit passender Deko unter verschiedenen Mottos. Veranstalter Gideon kam die Idee für eine Sober-Partyreihe, als er auf einer Geburtstagsfeier auflegte, auf der kein Alkohol ausgeschenkt wurde, die Stimmung aber trotzdem grandios war.
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