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Dem Fluch des starken Frankens entgehen | NZZ

In Zeiten des starken Frankens sollten Anleger bei Investitionen in Aktien- oder Obligationen-ETF stets das Währungsrisiko im Auge behalten, sonst drohen böse Überraschungen.

Ein harter Schweizerfranken mag bei Ferien in einem Euro-Zonen-Land die Urlaubskasse schonen: Hotelübernachtungen in der Toskana sind günstiger als im vergangenen Sommer, bei einem Einkaufsbummel in Paris sind die Tüten etwas voller, und ein nettes Abendessen in Barcelona ist deutlich erschwinglicher. Doch das, was den Touristen erfreut, ist für den Anleger weniger angenehm. Haben Schweizer in Aktien oder Anleihen aus den Ländern der europäischen Währungsunion investiert, dann würde ein starker Euro dem Depot ein zusätzliches Minus bescheren. Seit die Schweizer Notenbank den Franken Anfang des Jahres vom Euro abgekoppelt hat, ist dies umso eher der Fall. Die Schweizer Währung ist so massiv gegenüber der Gemeinschaftswährung erstarkt wie noch nie zuvor - und das aktuelle Niveau ist immer noch sehr hoch. Die Folge ist, dass der harte Franken die Gewinne bei Aktien aus Ländern mit schwächeren Währungen frisst.

Rasantes Wachstum

Eine der Konsequenzen ist, dass die Nachfrage nach Exchange-Traded Funds (ETF), also börsenkotierten Indexfonds, mit einem Währungspuffer in Schweizerfranken beflügelt wurde. Seit Anfang des zweiten Quartals 2014 bis zum Ablauf des zweiten Quartals dieses Jahres habe sich das verwaltete Vermögen in solchen ETF nahezu verdoppelt, sagt Roger Bootz, verantwortlich für den Bereich "öffentlicher Vertrieb von passiven Anlageprodukten in Europa" bei der Deutschen Asset und Wealth Management. Damit machen die in Schweizerfranken besicherten ETF mit 4,34 Mrd. € rund 17% an allen währungsgesicherten Indexfonds aus. Sie liegen an zweiter Stelle nach in Euro besicherten ETF. Laut Bootz wurden in Europa Ende des ersten Halbjahres insgesamt 25,63 Mrd. € in kotierte Indexfonds mit einer Absicherung gegen Währungsschwankungen verwaltet.

Lohnende Absicherung

Bedenkt man, dass neben der Schweizerischen Nationalbank seit Jahresbeginn mehr als 25 Notenbanken weltweit an ihren Devisenkursen gedreht haben, ergibt sich noch ein anderes Bild. Die Nachfrage nach währungsgesicherten ETF sei sehr viel stärker als der Gesamtmarkt gewachsen, erläutert Bootz. Nach Angaben des Schweizers stieg das in Euro verwaltete Vermögen der europäischen ETF-Branche um rund 18% an - und das der währungsgesicherten Indexfonds mit plus 38,4% wuchs im gleichen Zeitraum sogar um mehr als das Doppelte.

Das ist insofern naheliegend, als Anleger dadurch das Auf und Ab an den Devisenmärkten aus dem Depot verbannen können. Ein Vergleich zeigt, dass sich dies in den vergangenen Monaten bezahlt gemacht hat. Seit Jahresbeginn ist der MSCI-EMU-Index, der 238 Unternehmen aus der Euro-Zone umfasst, in Schweizerfranken laut dem Datenanbieter Morningstar um 4,3% gestiegen. In Euro hätte die Wertentwicklung mit 19,1% deutlich besser ausgesehen. Ein Anleger, der in einen ETF mit einem Währungspuffer für Schweizerfranken wie den ETF der Grossbank UBS "MSCI EMU hedged CHF" investiert gehabt hätte, hätte immerhin eine Rendite von 16,8% erzielt.

Hohe Volatilität

Ein Hauptgrund für diese gravierenden Unterschiede sind die Schwankungen im Kurs des Frankens gegenüber dem Euro. Die Volatilität, der Gradmesser für die Ausschläge nach oben und unten, liegt auf der Sicht von sechs Monaten bei 5%. Auf ein Jahr betrachtet beträgt sie sogar rund 17%. Beim Franken ist der Wert dabei stark durch die Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank beeinflusst. An dem Tag der Aufhebung fiel der Euro zum Franken zwischendurch um 35% und schloss mit einem Verlust von 19%. Durch grössere Wechselkursschwankungen nehme die Volatilität der Gesamterträge eines Portfolios deutlich zu, erläutert Dag Rodewald vom ETF-Anbieter UBS. Mit währungsgesicherten Produkten könne die Volatilität dem Gesamtportfolio entzogen werden.

Die derzeitige Schwankungsanfälligkeit bei den Wechselkursen beeinflusst nicht nur die Wertentwicklung von Aktien, sondern auch die von Obligationen. Bei Letzteren wird so auch ein Vorteil dieser Anlageklasse zunichtegemacht. Obligationen mit einem Investment-Grade-Rating gelten unter anderem als vergleichsweise sichere Anlage, weil sie ein anderes Auszahlungsprofil als Aktien haben: Sie weisen in der Regel einen festen Zinscoupon auf, der bei Fälligkeit ausgezahlt wird. Ihre Wertentwicklung wird also nicht vom Börsenhandel bestimmt, und deswegen sind sie weniger volatil und werden somit als weniger riskant als Aktien angesehen. Da aber auch Obligationen in verschiedenen Währungen notieren, unterliegen sie ebenfalls Wechselkursschwankungen. Die Folge davon ist, dass die Devisen ihre Volatilität in die Obligationen transportieren und damit das Profil von Anleihen ähnlicher wie Aktien machen und entsprechend den gängigen Klassifizierungs-Massstäben riskanter.

Mit Blick auf die verschiedenen Währungen ist der Franken nicht nur gegenüber dem Euro sehr schwankungsanfällig. Auch zum Dollar liegt die Volatilität über dem Zeitraum von einem Jahr bei 11,7%. Das sollten nicht nur Investoren von ETF auf die grossen amerikanischen Leitindizes im Hinterkopf haben. Neben verschiedenen Indizes für die Schwellenländer wird auch der MSCI World in Dollars berechnet. Und dessen ist sich nicht immer jeder Anleger sofort bewusst. Es sei wichtig, zu wissen, welcher Index in welcher Währung kalkuliert wird, sagt Heike Fürpass-Peter vom ETF-Anbieter Lyxor. Starke Anstiege, wie auch im Juni beim Dollar insgesamt beobachtet werden konnte, hätten einige Anleger nachfragen lassen, warum die Wertentwicklung ihres ETF auf den "MSCI World" von der des Indexes abweiche.

Unter den währungsgesicherten ETF liegen Produkte mit einem Dollar-Schutz derzeit auf Platz drei in der Beliebtheitsskala. Einige Anleger verstärken zum Beispiel die Entwicklung der europäischen Aktienindizes durch den erstarkten Dollar. Allerdings ist dabei eines zu beachten. Sollte die viel prognostizierte Leitzinserhöhung durch die US-Notenbank tatsächlich noch in diesem Jahr stattfinden, dann hätte das für ETF mit einer Währungsabsicherung Folgen für die Kosten.

Gegenwärtig sind diese vergleichsweise niedrig und liegen im Durchschnitt etwa 0,1% über der Verwaltungskommission von börsenkotierten Indexfonds ohne Währungsabsicherung. Wie teuer das Plus an Puffer ist, hängt im Einzelnen vom jeweiligen Währungspaar ab. Zwar hat Sicherheit ihren Preis. Da dieser sich mitunter auch aus der Differenz der Leitzinsen berechnet und diese momentan in den meisten Industrieländern auf einem ähnlichen Niveau liegen, wird der Anleger dafür derzeit nicht über Gebühr zur Kasse gebeten. Kommt die Zinswende in den USA, könnte sich das ändern. Dann wird die Absicherung nämlich entsprechend teurer - vorausgesetzt, dass andere Notenbanken nicht nachziehen.

Kein Vollkaskoschutz

Eines sollten Anleger, die ihr Depot gegen Währungsschwankungen wappnen wollen, ebenfalls wissen. Es gibt unterschiedliche Absicherungs-Methoden. Nur Daily-Hedged-Produkte (täglich gesicherte Produkte) wiesen auch wirklich eine täglich angepasste Währungsabsicherung auf, während die Monthly-Hedged-Produkte die Währungssicherung lediglich einmal im Monat anpassten, sagt Oliver Kilian, ETF-Händler bei UniCredit. Bei einer täglichen Absicherung ist der Anleger auch dann geschützt, wenn an einem einzigen Tag der Franken, der Dollar, der Euro oder eine andere Währung ungewöhnlich erstarkt oder sich abschwächt. Die meisten Produkte sichern den ETF auf Monatsbasis ab. Das ist kostengünstiger und mittelfristig nach Ansicht verschiedener Emittenten effizienter. Allerdings ist das nicht die Vollkaskoversicherung.

Anbieter von ETF mit einer täglichen Währungsabsicherung führen ins Feld, dass die Wertentwicklung so stärker verbessert und die Kosten mehr als kompensiert würden. Im Fall von starken Kurssprüngen wie Anfang Januar beim Schweizerfranken dürfte das stimmen. Der Anleger sollte aber abwägen, für wie wahrscheinlich er die Häufigkeit solcher Ereignisse hält. Zudem ist das Angebot hier mit einigen wenigen Produkten auf japanische Indizes begrenzt. Doch auch was das Angebot mit einem Hedge in Schweizerfranken angeht, ist die Auswahl von ETF auf den "MSCI EMU" derzeit überschaubar.

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