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Die Masse macht's | NZZ

Der Markt für ETF ist hart umkämpft, immer mehr Anbieter verschwinden. Gerade in der Schweiz gilt es auf lokale Besonderheiten zu achten, die aus Perspektive der Anleger äusserst wichtig sind.

Vergleicht man aktiv verwaltete Fonds und börslich gehandelte Indexfonds (ETF), dann liegen die ETF mit Blick auf ihre Gebühren deutlich vorne: Managementgebühren von deutlich unter 0,5%, kein Ausgabeaufschlag, keine komplexen Gebührenmodelle wie Performance-Fees und sehr niedrige Geld-Brief-Spannen. Die kostengünstige Struktur ist im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld Balsam für die Investorenseele. Denn gerade jetzt tut jeder zusätzlich Basispunkt weh, der für Gebühren berappt werden muss.

Niedrige Gewinnmarge

Keine Frage, die in ETF verwalteten Vermögen steigen stetig an. Lagen diese in Europa Ende 2014 bei 362,56 Mrd. €, waren es nach Angaben der Deutschen Bank Ende Februar bereits 422,6 Mrd. €. Nur um den rasanten Anstieg zu verdeutlichen - das ist etwa doppelt so viel wie Ende 2010. Doch mit Blick auf die niedrigen Kosten stellt sich die Frage: Wie lukrativ ist dieses Geschäft für die ETF-Anbieter? Schliesslich sind Banken wirtschaftlich agierende Unternehmen und keine caritativen Vereinigungen.

Es sei ganz klar, erläutert Heike Fürpass-Peter vom ETF-Anbieter Lyxor, bei ETF mache es die Masse aus. Eine ETF-Palette muss ein gewisses Volumen, also eine kritische Masse, erreichen. Für die Gewinnmarge bleibt nämlich lediglich die Differenz zwischen der Managementgebühr und den anderen Kosten. Laut Isabelle Bourcier vom auf Smart-Beta-ETF spezialisierten Anbieter Ossiam kommt zum Beispiel hinzu, dass ein ETF-Anbieter an jeder einzelnen Börse Gebühren für die Kotierung zahlen muss. Diese Gebühren müssen aktiv verwaltete Fonds, die nicht über eine Börse handelbar sind, nicht tragen.

Die Gewinnspanne bei ETF ist nicht gross. Die jährliche Pauschalgebühr für Aktien-ETF beträgt im europäischen Schnitt 0,35% und für Obligationen-ETF 0,24%. Und mehr als bei allen anderen Finanzvehikeln ist daher für die ETF-Branche der "first mover advantage" entscheidend. Wer zuerst da ist, mahlt zuerst. Sprich, er kann Assets einsammeln. Denn vor allem der Markteintritt ist für den Emittenten teuer. Beim passiven Asset-Management entsteht anfangs oftmals ein relativ hoher Fixkostenblock, um die technische Plattform aufzubauen, die Indexlizenzen zu bezahlen, die Börsenkotierungen zu organisieren und für die Liquidität in Zusammenarbeit mit Market-Makern zu sorgen, wie Roger Bootz von der Deutschen Bank beschreibt.

Weniger Aufwand für Manager

Danach sei es ein skalierbares Geschäft, sagt der Schweizer. Kein Wunder also, dass der europäische Markt seit Jahren von den grossen drei und auch den ältesten Anbietern - iShares, Deutsche Bank und Lyxor - dominiert wird, die zusammen 68,5% des gesamten Markts ausmachen. Die Gewichte verändern sich wenig, die kleineren Anbieter ergattern nur langsam Marktanteile.

Nach der ersten Eintrittshürde ist der gesamte notwendige Apparat dann jedoch viel schlanker und damit um vieles effizienter als bei aktiven Managern. Schlankerer Apparat bedeutet konkret keinen Fondsmanager, keine weiteren Portfoliomanager, kein Research-Team und eine deutlich schlanker aufgestellte Vertriebsmannschaft. Ein ETF bildet schliesslich einen Index ab - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Vergleicht man ETF mit aktiv verwalteten Fonds, so erinnert das ein wenig an den Beginn des 20. Jahrhunderts, als Henry Ford über die Fliessbandproduktion Automobile zur Massenware machte und dadurch die Produktionskosten massiv senkte.

Thomas Meyer zu Drewer von Comstage, der ETF-Sparte der Commerzbank, nennt die ETF-Industrie deswegen ein Paradebeispiel für Synergieeffekte und Kosteneffizienz. Ob man 100 Mio. € oder 500 Mio. € in einem weltweit anlegenden ETF zum Beispiel auf den MSCI World verwaltet, spielt für den personellen Aufwand keine Rolle. Er bleibt der gleiche. Anders sei das bei einem globalen aktiven Fonds. Mehr Analytiker, mehr Entscheidungen, mehr Aufwand mit steigenden Volumina und ergo höhere Kosten, sagt Meyer zu Drewer.

Schrumpfende Anbieterschar

Doch die Eintrittshürde ist nicht zu unterschätzen und auch nicht der Preiskampf unter den Anbietern, die ihre Marktanteile verteidigen oder ausbauen wollen. Mittlerweile gibt es auch schon ETF, deren Verwaltungsgebühren unter 0,1% liegen. Betrachtet man die Vergangenheit, wird klar, wie schwierig es sein kann, sich am Markt zu behaupten. Der erste ETF wurde in Europa vor 15 Jahren von Merrill Lynch aufgelegt. Die amerikanische Grossbank ist in Europa im ETF-Geschäft nicht mehr aktiv. Der weltweit erste ETF, der TIPs ETF auf den TSX 35, wurde vor fast genau 25 Jahren an der Börse in Kanada gelistet - auch ihn gibt es nicht mehr.

Im Juli 2013 wurde die ETF-Plattform der Credit Suisse an Blackrock verkauft, dem seit 2009 auch iShares gehört. Um als Anbieter profitabel zu sein, ist die Grösse der Palette wichtig. Denn aufgrund ihrer flexiblen Handelbarkeit verzeichnen ETF je nach Marktphase hohe Zu- und Abflüsse, und das muss über ein breites Gesamtangebot aufgefangen werden.

Mit Blick auf die Kosten ist auch ein weiterer Punkt bei voll replizierenden ETF wichtig. Bei dieser Replikationsmethode werden die Aktien im Sondervermögen gehalten, die auch tatsächlich im zugrundeliegenden Index sind. Durch das Securities-Lending, also durch das zeitweise Verleihen von Wertpapieren an andere professionelle Investoren, können ETF-Anbieter zusätzliche Erträge generieren. Wer wie iShares an einem der weltweit grössten Asset-Manager wie Blackrock mit einer Armada an Aktien in den Büchern angeschlossen ist, kann sicherlich zusätzliche Synergieeffekte nutzen.

Der Grossteil der Erträge aus der Wertpapierleihe wird dem ETF-Sondervermögen gutgeschrieben, der Rest verbleibt dem Emittenten. Bei iShares gehen 62,5% nach Abzug der Kosten der Wertpapierleihe in den ETF, bei Lyxor sind es immer mindestens 65% der Erträge, und bei der Deutschen Bank fliessen 70% der Bruttoerträge in den ETF. Einige kleinere Akteure mit einer überschaubaren Palette wie zum Beispiel HSBC verzichten auf die Wertpapierleihe.

Die zweite Möglichkeit, durch die ein Index über einen ETF abgebildet werden kann, ist die Swap-basierte Variante. Hier werden Wertpapier-Körbe gegen die Performance getauscht, und die im Index enthaltenen Aktien sind daher nicht deckungsgleich mit dem ETF-Sondervermögen. Bei dieser synthetischen Replikationsmethode können die ETF-Anbieter keine Mehrerträge generieren. Allerdings ist diese Variante unter dem Strich kostengünstiger als die volle Replikation.

Ein weiteres Geschäftsfeld sind Indexmandate im institutionellen Bereich. Dieses Segment richtet sich vornehmlich an Investoren mit hohen Anlagevolumina wie Pensionskassen und Versicherungen, die langfristig mit mehr als 100 Mio. € in einen Index investiert sein wollen. Die Handelsflexibilität ist hier geringer als bei ETF. Dafür sind die Gebühren und damit auch die Margen noch niedriger. Wie Valérie Baudson vom ETF-Anbieter Amundi sagt, machen Indexmandate und spezielle Indexfonds weltweit 70% des passiv verwalteten Vermögens aus, das derzeit weltweit bei 10 Bio. $ liegt. Der ETF-Anteil betrage lediglich 30%. Auch hier sind die Masse und die Grösse des Anbieters für die Kosteneffizienz und Rentabilität entscheidend.

Schweizer Besonderheiten

Um sich von den Wettbewerbern abzuheben und Kostenvorteile weiter auszubauen, nutzen einige Anbieter auch lokale Besonderheiten aus. Es sei zentral, dass man eine lokale Schweizer Plattform habe, sagt Christian Gast, der für das Schweizer Geschäft von iShares zuständig ist. Denn zwei Drittel der Allokation einer Pensionskasse seien typischerweise in Franken denominiert. Deswegen war der Kauf der ETF-Palette der Credit Suisse für Blackrock ein strategisch wichtiger Schritt.

Bei Schweizer Aktien und Obligationen kommen zudem steuerlich Gründe zum Tragen. Unter anderem ist die Stempelsteuer mit 7,5 Basispunkten für in der Schweiz domizilierte ETF auf den SMI halb so hoch wie für ETF auf den Schweizer Leitindex, die in Luxemburg oder Irland aufgelegt werden. Ein weiterer Vorteil für ETF auf Schweizer Werte ergibt sich aus der Verrechnungssteuer. Wie Raimund Müller von der UBS erklärt, kommen sonst bei dem Investor lediglich 65% der Dividendenzahlungen an. Schweizer ETF hätten den Wettbewerbsvorteil, dass sie die Verrechnungssteuer in Höhe von 35% zurückfordern können.

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