Michaela Schneider

Journalistin, Pressefotografin, Würzburg

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Durchdachter Farbenrausch

Betritt man die neue Sonderausstellung im Museum im Kulturspeicher in Würzburg, wird man schier erschlagen: leuchtendes Rot, Gelb, Grün und Blau – und alle Zwischentöne, die man sich vorstellen kann. „Jakob Bill – Das Glück der Farbe“ lautet entsprechend der Titel der Ausstellung, die das Schaffen des Künstlers über fast sechs Jahrzehnte beleuchtet. Das älteste Werk stammt aus dem Jahr 1956, damals war der gebürtige Züricher gerade einmal 14 Jahre jung. Das jüngste Produkt ist noch kein Jahr alt. Farben, Formen, Strukturen, Kontraste und Verläufe kennzeichnen Bills gesamtes Schaffen.

Dass Jakob Bill so früh schon malte, erstaunt nicht, wuchs er doch in einem Umfeld auf, das von der Konkreten Kunst geprägt war mit einer Fotografin als Mutter und dem Maler Max Bill als Vater. Doch auch, wenn Jakob schon mit 15 Jahren seine erste größere Ausstellung eröffnete, blieb er zwar der Malerei sein Leben lang treu, arbeitete aber im Hauptberuf als Archäologe. Sein Sohn David setzt die Familientradition inzwischen fort – so war 2009 in Weimar die Ausstellung „bill – bill – bill“ mit Werken der drei Genrationen zu sehen.

Im Museum im Kulturspeicher indes geht es allein um Jakob Bill. Bei der Pressebegehung im Vorfeld der Eröffnung führte der Künstler selbst durch die Ausstellung mit insgesamt 89 Gemälden. Aus seinem Fundus ausgewählt hat er sie persönlich. Er wolle ein kleines Spektrum an Werken zeigen, die er verbrochen habe, sagt er mit einem Schmunzeln. Zunächst scheint es allerdings, als wolle Bill gar nicht so recht über sein Schaffen sprechen. „Für mich ist das, was ich produziere, eine Selbstverständlichkeit“, sagt er. Ergänzt: Jeder habe letztendlich ein anderes Farbempfinden.

Dass bei Bill zwar in der Tat der Einsatz von Farbe im Vordergrund steht, braucht auch keine Erklärung. Die Bilder scheinen aus sich heraus zu leuchten, ein feines Grau wirkt da aus der Ferne fast schon wie ein glitzernder Silberstreif. Durch subtile, systematische Verläufe – diese sind typisch und charakterisierend für Bills Werk - gewinnen die Ölgemälde an außergewöhnlicher Strahlqualität. Spannend ist in dem Zusammenhang ein Blick in die Künstlerwerkstatt. Wie der Schweizer erzählt, nehme das Mischen der Farben wesentlich mehr Zeit in Anspruch als das Auftragen selbst. Skizzen im Vorfeld fertig er keine an. „Die Bilder entstehen im Kopf. Sie müssen dort völlig fertig und die Farbgebung muss klar sein, bevor ich mit dem Malen anfange“, so der Künstler.

Wie viel Struktur tatsächlich in Bills Werken steckt, begreift man erst bei einer zweiten und dritten Betrachtung, er selbst spricht in dem Zusammenhang vom „Gerüst“. Der Künstler arbeitet mit komplexer Mathematik. Symmetrien, Winkel und geometrische Formen verschmelzen mit einer durchdachten Farbgebung und extremen Kontrasten. Immer wieder fragt man sich, was echt und was Täuschung ist. Blickt man ins Bild hinein oder aber sind die gestreiften Kreise auf den Hintergrund aufgesetzt? „Man denkt, das Ganze ist bunt – aber dieses Bunt ist sehr systematisch gestaltet“, sagt Bill selbst.

Schwarz verwendet der Künstler selten und auch das hat seinen Grund: Schwarz sehe er nicht als Farbe, sondern setze er als Gegensatz ein, erklärt er. Anders indes steht es ums Weiße. Durch dessen vielfachen Einsatz beschränken sich die Werke nicht auf die Leinwandfläche, sondern scheinen sich auf die umgebenden Wände auszuweiten. Fast zwangsläufig wird die Fantasie des Betrachters angekurbelt und man beginnt, Formen und Farben weiterzudenken.

Ja, Jakob Bills Werke sind kopflastig. Man grübelt über Wirkungen, sucht fast schon automatisch nach der Struktur hinter der Wirkung und den Ursachen für Spannung und Dynamik. Jakob Bill dürfte sich darüber freuen. Er nämlich sagt selbst ganz salopp: „Kunst ohne zu denken finde ich blöd.“

 

Infokasten: Über die Ausstellung „Jakob Bill – Das Glück der Farbe“

Nach Zürich ist die Ausstellung „Jakob Bill – Das Glück der Farbe“ nun vom 21. September bis einschließlich 24. November im Museum in Kulturspeicher in Würzburg zu sehen. Ausgestellt sind 89 Werke des Künstlers, die zwischen 1956 und 2013 entstanden. Geöffnet ist das Museum Dienstag zwischen 13 und 18 Uhr, Donnerstag zwischen 11 und 19 Uhr sowie Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag zwischen 11 und 18 Uhr.

Ergänzend zur Sonderausstellung hat das Museumsteam einen Audioguide mit 15 Bildbeschreibungen entwickelt. Zudem ist ein Ausstellungskatalog erschienen inklusive einer Autobiografie des Autors: Strauss, Dorothea (Hrsg.): „Jakob Bill. Malerei“, Kehrer Verlag Heidelberg Berlin 2012, ISBN 978.3-86828-377-8

 

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