Es blubbert und brodelt, gluckst und gurgelt. In kühles, blaues LED-Licht getaucht, wirken die riesigen Edelstahltanks in ihrer hallenden Geräuschkulisse geheimnisvoll, fast futuristisch. 234 Gärpfeifen spielen im Herbst im Gärkeller des Juliusspitals Tag und Nacht ein Kammerkonzert für den Kellermeister. Nur ein paar Türen weiter dann eine ganz andere Stimmung: Im uralten Gemäuer lagern 230 schwere Eichenholzfässer. Auch hier murmelt der werdende Wein. Fast scheint es in den Gewölben nun, als würde er Geschichten aus jener Zeit raunen, als im Jahr 1576 der Grundstein zur Juliusspitalstiftung gelegt wurde.
Tradition und Innovation: Dass das Würzburger Weingut auf diesen beiden Säulen ruhend in die Zukunft blickt, ist beim Rundgang durch die dortige „Wein-Welt" unverkennbar.
Seit diesem Sommer präsentiert sich das Weingut des Juliusspitals in der neuen „Wein-Welt"-Optik. Schon auf dem Weg vom Parkhaus zum Weingut passiert man einen Schwung Rebstöcke. Erst beim zweiten Blick wird klar: Tatsächlich wachsen hier - wie in den Weinbergen um Würzburg auch - Reben auf Buntsandstein, Muschelkalk sowie Gips-Heuper. Nicht ein Miniatur-Weinberg also, sondern drei. Glastafeln mit markigen Schlagworten verdeutlichen, was wächst. „Wir besitzen 177 Hektar Weinberge und nichts davon war früher hier zu sehen", sagt Tanja Strätz, die die Wein-Welt als Projektleiterin maßgeblich mitgestaltet hat. Ihre Zielsetzung war es, den Weg des Weins während der regelmäßigen Führungen für alle Sinne erlebbar zu machen.
„Trauben, Technik, Tatendrang" prangt in großen Buchstaben außen am Gebäude der Anlieferungshalle. Zwischen gedruckten, überdimensionalen Silvanertrauben treten die Weingutbesucher ein. „Wir sind das größte Silvaner-Weingut der Welt. Unser fränkisches Herz schlägt für den Silvaner", sagt Strätz. Ein 13 Meter hoher Aufzug transportiert während der Weinlese die Trauben zur Presse. Ende November hat er seine Arbeit für dieses Jahr allerdings schon getan und steht still. Stattdessen flimmert nun an der Wand ein Film zur Weinlese. Zu 90 Prozent wird bis heute per Hand gelesen, erfahren die Zuschauer. „Saft, Sinn und Sorgfalt" lauten die Schlagworte in der Halle. „Qualität entsteht einzig und allein am Weinberg. Unsere Aufgabe ist es dann, diese 100 Prozent zu bewahren", verdeutlicht Tanja Strätz.
Von der Anlieferung geht es in den Stahltankkeller. Zum Kammerkonzert der Gärpfeifen können Besucher nun in ganzjähriger Kühle nachlesen: Sage und scheibe 814550 Liter arbeiten hier in den blau beleuchteten Tanks - und das mache 3258200 Mal zum Wohl! Eine echte Sinnestäuschung erwartet Weingutsgäste in der Füllhalle. Es scheppert und klirrt, automatisch blickt man sich suchend um nach Arbeitern, laufenden Maschinen und klirrenden Weinflaschen. 1,1 Millionen Flaschen werden per Hand auf die Kontrollanlage gestellt. Doch stehen auch hier die Anlagen derzeit still - der Ton ist eingespielte Illusion.
Der weitere Weg führt durchs Freie, vorbei an der hölzernen Stiftungsurkunde des Juliusspitals aus dem Jahr 1576. Zeit für Tanja Strätz einen gedanklichen Abstecher ins 16. Jahrhundert zu unternehmen, als Fürstbischof Julius Echter eine Stiftung für Arme Kranke, Findelkinder, Pilger und bedürftige Personen gründete. Geschaffen wurde die hölzerne Urkunde von Hans Rodlein. Einen Platz in der Geschichte sicherte der Bildhauer seinem Kunstwerk vor allem, weil er darauf die erste Abbildung eines Bocksbeutels verewigte.
Verschlagene, rumpelige Steinstufen geht es schließlich hinunter ins Herzstück des Weinguts. In den steinernen Gewölbegängen atmen Jahrhunderte. Es riecht holzig und doch nach frischen Früchten. Bis zu 6400 Liter Wein fassen die größten der 230 Eichenholzfässer, gut 200 Jahre alte Schnitzereien mit barocken Putten und rankenden Reben zieren die Fronten einzelner Behälter.
Aus der Historie führt der Weg zurück in die Moderne, die Führung endet zwischen Barriquefässern, umgeben von den hochwertigsten Weinen des Juliusspitals. Zwei Zitate in Leuchtschrift ziehen sich an den Wänden entlang. „Alles, was uns imponieren soll, muss Charakter haben" - Menschen und Wein gleichermaßen, möchte man Goethes Worte ergänzen. „Die Zeiten ändern sich, und wir uns mit ihm", wird zudem Ovid zitiert. Im Weingut zwischen Tradition und Moderne.