Michaela Schneider

Journalistin, Pressefotografin, Würzburg

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Wo die Wintergewürze wachsen

Es duftet nach Zimt, Vanille, Nelken und Kokos. Die Aromen von Ingwer, Kardamon, Anis, Piment, Muskatnuss und Koriander sorgen für delikate Winterwürze. Adventszeit ist Backzeit. Doch wie und wo wächst eigentlich, was uns Jahr für Jahr die herrlichen Weihnachtsgeschmäcker beschert? Antworten erhält man im Botanische Garten Würzburg. Wissenschaftlicher Kustos Dr. Gerd Vogg verrät einige spannende Episoden rund um die Backzutaten.

Eines der wohl spannendsten Wintergewürze dürfte in Sachen Wachstum die Vanille sein. Wie Vogg erzählt, gehört sie zu den Orchideen, mit 300000 Arten der größten Pflanzenfamilie weltweit. Tatsächlich aber ist die Vanille die einzige Orchidee, die der Mensch heute in der Küche nutzt. Und sie wächst wild nur in Mexiko. Findige Gewürzhändler versuchten, die „Vanilla Planifolia" auch in anderen Regionen zu kultivieren. Die Pflanze wuchs, blühte, Kapseln mit Samen - in der Backstube betitelt als Vanillemark - aber entstanden nicht. Hier erzählt man sich nun folgende Legende: Ein Kind soll eines Tages mit einer Orchideenblüte gespielt haben. Aus eben dieser Blüte heraus entwickelte sich eine Kapsel mit Samen. Das Prinzip der Vanilla-Bestäubung mit einer Art Stachel war entdeckt. „Man kann davon ausgehen: So gut wie alle Vanilleschoten im Handel stammen heute von Pflanzen, die von Hand bestäubt wurden", sagt Vogg. Und beim Vanillemark selbst - leckerem Bestandteil zum Beispiel in Vanillekipferln - handelt es sich um die kleinsten Pflanzensamen überhaupt im Pflanzenreich.

Auch Kokosmakronen fehlen auf fast keinem Weihnachtsplätzchen-Teller. Anders als die „Vanilla" aber konnten sich Kokospalmen von selbst überall in den Tropen ausbreiten, an fast jedem feuchtwarmen Meeresstrand gedeihen dort die hohen Palmen. Wie es dazu kam, untersuchte schon Charles Darwin im 19. Jahrhundert. Tatsächlich können Kokosnüsse extrem lange schwimmen, ohne ihre Keimfähigkeit zu verlieren. „Daher das wahnsinnige Ausbreitungspotenzial", sagt Vogg.

Als nächstes ein Blick auf die Muskatnuss. Die so genannten Muskatnussbäume wuchsen einst nur auf zwei indonesischen Inselgruppen: den Banda-Inseln und den nördlichen Molukken. Bis ins 17. Jahrhundert hatte Muskatnuss den irrtümlichen Ruf, gegen Pest und viele andere Krankheiten zu helfen. Leisten konnte sich das wertvolle Gewürz nur der Adel, bezeichnet wurde die Muskatnuss auch als das „Gold Ostindiens". Und so geschah es, dass die Briten im Jahr 1667 die kleine Insel Run im ostindischen Archipel mit den Holländern gegen die amerikanische Kolonie Neu-Amsterdam eintauschten, weil die niederländische Ostindien-Kompanie ein Muskatnuss-Monopol im Handel aufbauen wollte. Später dürften sich die Niederländer über den Tausch geärgert haben: Die Muskatnuss verlor an Bedeutung. Und wo sich einst Neu-Amsterdam befand, liegt heute New York.

Überraschen dürfte manchen Weihnachtsbäcker auch: Gewürznelken haben rein gar nichts mit den Nelken in den heimischen Gärten zu tun. Vielmehr gehört der Gewürznelken-Baum zur Familie der Myrtengewächse. Bei den Gewürznelken handelt es sich laut Vogg um die Knospen der Pflanze, die noch in der Blüte abgeerntet werden. Woher aber kommt der Name „Gewürznelke"? Nun, die Knospen sehen aus wie kleine Nägel. Nägelchen heißt im niederdeutschen Negelkin - und irgendwann sprach man eben von „Nelken". Geschmacksträger ist - wie bei den meisten anderen Gewürzen auch - das ätherische Öl. Hauptkomponente der Gewürznelken ist „Eugenol". Dieses wirkt betäubend. Deshalb taugt das Kauen von Nelken auch als schnelles Hausmittel gegen Zahnschmerzen.

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