Er ist in Michigan geboren, studierte ein Jahr in Deutschland, zog dann wieder in die USA nach New York und lebt jetzt auf Island. Dabei spricht er mindestens sechs Sprachen fließend und kann mit einigen Geschichten aus unserer „Rüpelrepublik" aufwarten: Es gibt wenige Singer/Songwriter, die so nachhaltig herumgekommen sind wie John Grant. Auf seinem aktuellen Tourabstecher nach Deutschland hat er sich die Zeit genommen, mit uns über Dinge wie internationale Eigenarten, das Berghain oder die Schattenseiten Islands zu reden. Und das übrigens in nahezu perfektem Deutsch.
John Grant: Das könnte stimmen, ich glaube, es geht auf dem Album eher um Menschen als um Orte. Aber wenn du „Black Blizzard" nimmst, da geht es um die Dust Bowl in Oklahoma. Ich hatte darüber eine Dokumentation gesehen, wie die Menschen dort unter Sandstürmen litten und deshalb starben. Das war wie ein Horrorfilm. Darüber ein Lied zu machen, war auch neu für mich, weil ich mich früher für amerikanische Geschichte gar nicht interessiert habe. Sie kam mir gegenüber der europäischen immer uninteressant vor, dabei ist sie das gar nicht, sondern einfach nur kürzer! (lacht) Aber früher, als Kind, hat mich Europa viel stärker interessiert.
JG: Es kommt im Alltag mal auf, aber ich habe schon das Gefühl, dass ich mich hier etwas zurückziehen kann, was sehr angenehm ist. Denn dieser Wahlkampf kotzt mich dermaßen an, es ist kaum auszuhalten. Mir fehlen die Worte - die Wörter und die Worte dafür! Eine krankhafte Groteske. Dass Donald Trump von so vielen Menschen unterstützt wird, die diese Rhetorik gutheißen, denken, er würde sich für sie einsetzen... Ich bin vollkommen verwundert darüber, es ist beängstigend.
JG: Das ist er auch, aber auch hier gibt es Arschlöcher und Asoziale. Das Fliehen geht eigentlich gar nicht, habe ich den Eindruck. Auch auf Island gibt es Dinge, die mir auf den Sack gehen, aber die Leute haben eine etwas andere Einstellung: Sie lassen einen einfach leben. Aber was kann ich als Ausländer, der von der Musik lebt, schon für eine Perspektive haben? Ich muss ja nicht jeden Tag ins Büro, denn auch da gibt es hier Mobbing und Homophobe, genau wie in Deutschland oder Amerika. Aber man lässt mich zum Beispiel eher in Ruhe, während man in Deutschland auch schon mal angemacht wird auf der Straße.
JG: Ich habe mir ein Buch gekauft über Deutschland, das heißt „Die Rüpel-Republik" [von Jörg Schindler], und das trifft es schon: Man wird dort immer angemotzt, weil man angeblich etwas falsch macht, falsch irgendwo langgelaufen ist, falsch die Tür geöffnet hat. „Sie haben Ihr Getränk falsch bestellt, Sie hätten das so und so machen müssen." Solche Sachen habe ich nirgends auf der Erde so erlebt wie in Deutschland, es ist wirklich eine Rüpelrepublik. Aber ich habe dort auch einige der tollsten Menschen meines Lebens getroffen, deswegen bin ich zu dem Schluss gekommen: Es geht um Menschen, überall. Die Möglichkeit der Flucht ist eine Illusion. Man kann sich zurückziehen, okay, so habe ich das auch gemacht. Ich sage immer: „I'm just looking for different background for my bullshit." Das trifft es ins Schwarze, denke ich.