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Haut aus dem 3D-Drucker

Ein 3D-Drucker stellt im Bioprinting-Labor in Innsbruck künstliche Haut her.

Erleidet ein Mensch schwere Verbrennungen, kommt er für einige Monate auf die Intensivstation. Von intakten Körperstellen wird Haut entnommen und diese auf die geschädigten Stellen transplantiert. Bald könnte das aber nicht mehr nötig sein: Unter anderem an der Medizin-Uni Innsbruck wird seit bald drei Jahren an der Herstellung von künstlicher Haut getüftelt - mittels 3D-Druckern. „Wir bauen eine dreischichtige Haut auf kleinen Plexiglaschips nach", erklärt der Molekularbiologe Michael Ausserlechner. Gemeinsam mit seiner Kollegin Judith Hagenbuchner leitet er das Bioprinting-Labor in Innsbruck. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Wissenschaftsfonds FWF, der Tiroler Wissenschaftsfonds TWF und der Medizinische Forschungsfonds Innsbruck MMF unterstützen sie dabei.

Züchten statt Zerschneiden

In sogenannten Zellkulturflaschen werden die verschiedenen Hautzelltypen gezüchtet (Ober-, Leder- und Unterhaut). „Diese Zellen mischen wir mit einer bestimmten Biotinte. Das ist eigentlich eine Eiweißmischung, die genau auf die jeweiligen Zelltypen abgestimmt ist", führt der Forscher aus. Dann macht sich der Biodrucker an die Arbeit und trägt diese Masse Schicht für Schicht auf Plexiglas­chips auf. Außerdem druckt er auch feine Kanäle zur Versorgung der Zellen hinein. „So bauen wir etwas, das genau so geschichtet ist wie unsere menschliche Haut" - und das bringt viele Vorteile mit sich. Das etwa einen Zentimeter breite und drei Millimeter dicke Hautmodell am Chip könnte nämlich nicht nur irgendwann für Hauttransplantationen verwendet werden, sondern bietet schon jetzt die Möglichkeit, Medikamente risikolos zu testen - und zwar ohne Tierversuche. „Eine Maus ist ungefähr 100 Millionen Jahre evolutionär von uns Menschen entfernt. Das ist einer der Hauptgründe, warum Medikamente, die in Tierversuchen erfolgreich sind, häufig beim Menschen scheitern", so Ausserlechner. Konkret sehe man das am Beispiel von Covid-19: Da das Virus bei Mäusen nicht infektiös ist, kann man an ihnen nur schwer Medikamente testen. „Da brauche ich menschliches Gewebe. Und die Wenigsten lassen sich gern ein Stückerl Lunge rausschneiden, damit wir Experimente machen können", schmunzelt der Forscher. Auch wie sich Tumore und Gewebe in Tumornähe verhalten, kann man mit den Hautmodellen beobachten - genauso wie Alterungs- und Wundheilungsprozesse.

Haut-Chip mit Identität

„Der nächste Schritt ist natürlich, dass man von dem spezifischen Patienten eine Hautprobe nimmt, die Hautzellen vermehrt und dann am Chip die Haut von dem einen Patienten nachbauen kann." Bei jemandem, dessen Wunden schlecht heilen, könnte man dann etwa die Wundflüssigkeit testen und erkennen, ob sie Proteine oder Zellen enthält, die die Wundheilung verhindern. Wenn es von der Ethikkommission und dem Patienten genehmigt würde, könnten an dem Hautmodell anschließend Medikamente getestet werden.

Speziell an der Arbeit der beiden Wahlinnsbrucker und ihres fünfköpfigen Teams ist, dass sich die Zellen quasi verselbstständigen und sich die künstliche Haut, einmal auf das Plexiglas gedruckt, weiterentwickelt. „Die Biotinte stimuliert die Zellen dazu, sich selbst in Gefäßnetzwerken zu organisieren, die feiner sind, als was man mit dem Biodrucker drucken kann. Damit können wir auch den Bereich unter der eigentlichen Haut, der für die Versorgung und die Wundheilung sehr wichtig ist, züchten." Mit dem künstlichen menschlichen Gewebe kann man nun also Medikamente testen und Vorgänge von Zellen erforschen. Bald wird es vielleicht möglich sein, Haut eines bestimmten Patienten nachzubilden.

Von Star-Trek-Medizin sei man laut Ausserlechner aber noch weit entfernt: „Es ist nicht so, dass Dr. Pille jemandem ein Medikament injiziert und der Patient dann begeistert ruft: ‚Mir ist eine neue Niere gewachsen!'" Niere, Herz und Co seien für den Biodrucker einfach zu komplex. Dass es irgendwann anders sein wird, will der Biologe aber nicht ausschließen: „Ich würde bei den derzeitigen Entwicklungen in der biologischen Forschung nicht sagen, dass etwas ‚nie' machbar sein wird. Oder, um Star Trek zu zitieren: ‚Die Zukunft ist ein unentdecktes Land.'"

Zur Person

Der Osttiroler Michael Ausserlechner leitet das Molekularbiologische Labor in der Pädiatrie I der Medizinischen Universität Innsbruck. Studiert hat der heutige Professor Mikrobiologie, habilitiert hat er in Pathophysiologie. Für seine Arbeit hat der Forscher schon mehrere Preise gewonnen.

Judith Hagenbuchner kommt ursprünglich aus Oberösterreich. Sie ist Diplomingenieurin und hat Bio- und Umwelttechnologie an der FH Wels studiert und an der Universität Innsbruck promoviert. Heute arbeitet sie als Universitätsdozentin und Molekularbiologin in der Pädiatrie II in Innsbruck. Auch sie wurde schon mehrfach ausgezeichnet.

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