Ein Raum voller PC-Monitore in Unterföhring bei München. Es sind um die 60, davor ist jeder Platz von Männern zwischen 18 und 50 Jahren besetzt. Pro Mann zwei Bildschirme. Was aussieht, als hätte die Gruppe sich zu einer LAN-Party getroffen, ist die Abteilung, die nicht nur Daten für Sky erfasst.
Sie sind offizieller Datendienstleister der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL). Sie haben festgestellt, dass Xabi Alonso in der vergangenen Bundesliga-Hinrunde einen neuen Rekord aufgestellt hat: Kein Spieler hatte je zuvor so viele Ballaktionen wie der Spanier.
Das Wort "Ballaktion" stammt übrigens auch aus diesem Raum. Es ersetzt seit kurzem ganz offiziell die Bezeichnung "Ballkontakt". Das haben Opta-Mitarbeiter mit Vertretern der Fußball-Clubs und der Liga festgelegt, ein "Kontakt" war ihnen zu ungenau. Weil sie nicht endgültig sagen wollten, wie viele Kontakte ein Spieler hat, wenn er mit dem Ball beispielsweise über den halben Platz dribbelt.
Ist das ein Kontakt? Oder mehrere? Jetzt bekommt jeder Spieler mindestens eine Ballaktion gutgeschrieben, wenn er am Ball ist. Bei einem erfolgreichen Dribbling und anschließendem Torschuss bekommt er gleich zwei Ballaktionen - ungeachtet seiner tatsächlichen Anzahl an Kontakten mit dem Ball.
Noch so ein Beispiel: Zweikampf. Die Definition könnte doch ganz einfach sein, wenn zwei Spieler um den Ball kämpfen begehen sie einen Zweikampf. " Ist aber für uns hier die schwierigste aller Aktionen auf dem Feld", sagt Opta-Projektleiter Raphael Reiners.
Ihre Definition geht über vier DIN-A4 Seiten, auf denen festgelegt ist, wer nun wie und warum um welchen Ball genau kämpft. Klingt ein bißchen nerdig. Ist es auch, das gibt Reiners offen zu. "Wer hier arbeiten will, muss eigentlich nur eins mitbringen", sagt der Opta-Projektleiter. "Und zwar die Affinität zum Fußball."
Er selbst machte ein Diplom in Statistik, begann dann als freier Redakteur bei Opta. Reiners ist quasi seit Beginn dabei, als der englische Dienst Opta 2006 in Deutschland startete. Damals ganz klein, seit dem Zuschlag für Sky im Sommer 2009 ständig expandierend. "Wir suchen immer Verstärkung", so Reiners.
Vor den Bildschirmen sitzen hauptberufliche Barkeeper, Banker oder Studenten. Neben ihrem eigentlichen Job analysieren sie hier zwei bis fünf Spiele die Woche. Jeweils ein Analyst und ein Checker pro Mannschaft. Der Analyst notiert, der Checker überprüft. Reiners sagt, er lädt grundsätzlich jeden Bewerber ein. "Entscheidend ist, dass der Job des Daten-Analysten Übung braucht", sagt er.
Viele Bewerber sprängen von sich aus ab, weil ihnen die Arbeit zu komplex erscheint. Reiners vergleicht sie mit dem Zehn-Finger Schreibsystem. "Da denkt auch am Anfang keiner, er könnte das lernen."
Die Schwierigkeit beim Daten analysieren liegt darin, zwei Sachen blind zu beherrschen: Das Geschehen des Fußball-Spiels verfolgen und gleichzeitig die zig verschiedenen Aktionen zu notieren. Bis man das auf ordentlichem Niveau beherrscht, vergehen etwa hundert Arbeitsstunden, schätzt der Projektleiter.
Tim Weber ist einer dieser Analysten. Er ist 25 Jahre alt, hat Sportwissenschaften studiert, neben dem Studium bei Opta angefangen und ist einfach da geblieben. Weber trägt ein kariertes Hemd zur Jeans, bunte Sneaker, drei Tage Bart. Genau der Typ Mensch, mit dem man in einer Bar auch mal mehr als nur ein Bier trinkt. Und genau der Typ, mit dem man mehr, als nur über Abseits diskutieren kann.
"Schöne Spielzüge machen mir Spaß", sagt er. Wenn der Ball über mehrere Stationen zum Tor geführt wird. Bedeutet für Weber, mehrere Aktionen zu notieren. Also auch Stress. "Aber ich weiß, diese Daten werden dann alle gesammelt, werden zu Statistiken verarbeitet", sagt er.
Teil davon zu sein, mache ihn stolz. Seine Arbeit sieht dann so aus: Auf einem seiner Bildschirme läuft das Live-Spiel, heute Hoffenheim gegen Frankfurt. Ab dem Anpfiff tippt Weber mit der linken Hand auf dem Nummernfeld seiner Tastatur verschiedene Zahlenkombinationen ein, für jede Spielaktion eine andere. Dazu die Trikotnummer des jeweiligen Spielers.
Mit der rechten Hand klickt er auf einem transparenten Spielfeld rum, das digital über das Live-Spiel gelegt ist. So stellt Weber dar, von wo nach wo ein Pass gespielt wurde. Seine Konversationen beschränken sich während der 90 Minuten auf Zahlen. "Fiftie für die 14?", fragt Weber seinen Checker. Der bejaht und Weber notiert. "Was er erfasst, können wir innerhalb der nächsten Minute an alle Redaktionen weitergeben", erklärt Reiners.
In einem anderen Raum, der Opta-Redaktion, sitzt Alexander Schlüter. Seine Aufgabe: Redakteur. Der 29-Jährige ist einer derjenigen, die mit Hilfe von Webers Daten die Briefings für Kommentatoren schreiben.
"Im Endeffekt sitzen wir mit dem Live-Reporter in einem Boot", sagt Schlüter. Er hatte auch Sportwissenschaften studiert, dann vor ein einhalb Jahren bei Opta angeheuert. Schlüter erfasst nicht, er durchsucht die erfassten Fakten nach interessanten, relevanten Neuigkeiten für den Reporter im Fernsehen. Die tickert er dann während des Spiels durch, quasi um sein Briefing stetig zu aktualisieren. "Langeweile kommt da nie auf", sagt Schlüter.
Er blickt auf seinen Monitor, sieht, dass bei Hoffenheim ein Spieler zur Einwechslung bereit steht. "Sven Schipplock hat nach Einwechslungen in der Bundesliga bislang sieben Mal getroffen", tickert Schlüter sofort an seinen Reporter. Schipplock ist also das, was man einen guten Joker nennt.
Es dauert etwa 20 Sekunden, dann betritt der Hoffenheimer das Feld. Einen Moment später erzählt die Stimme im Fernsehen, Schipplock habe nach Einwechslungen sieben Mal getroffen, der Stürmer sei ein guter Joker. Vor dem Fernseher sitzt Schlüter und lächelt. Ganz kurz hält er inne. Dann sucht er nach dem nächsten Statistik-Fakt.
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