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Abwasser gibt es immer

10.10.2013 - WIESBADEN

Von Max Sprick

Es stinkt. Vom ersten Schritt an, den man ins Wiesbadener Hauptklärwerk der Entsorgungsbetriebe am Theodor-Heuss-Ring setzt. „Aber daran gewöhnt man sich ganz schnell", sagt Jan Sensfelder, Auszubildender im zweiten Lehrjahr. Gemeinsam mit zwei anderen Azubis führt der 20-Jährige eine Gruppe Achtklässler aus Wiesbadener Schulen durch die Anlage. Im Rahmen der Initiative „Jobs in echt" des Jobnavi schnuppern sie in die Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Leer gebliebene Lehrstellen

„Auf diese Weise bekommen die Schüler Tipps aus erster Hand", sagt Projektleiterin Sabine Reising. Zehn junge Leute finden sich zum Schnuppertag ein. Reising freut sich, dass ihr Angebot auf viel Resonanz stieß. Ganz anders sieht die Lage im Klärwerk aus. Hier gibt es im zweiten und dritten Lehrjahr insgesamt sechs Auszubildende. Zum neuen Lehrjahr wurden keine weiteren eingestellt. Das liegt zum einen an der geringen Anzahl an Bewerbungen, zum anderen an falschen Vorstellungen, wie Ausbilderin Georgia Panagiotopoulou erklärt: „Die meisten denken, sie fischen hier Autowracks aus dem Wasser."

Tun sie aber nicht. Im Klärwerk werden vor allem kohlenstoffhaltige Verbindungen, Harnstoffe, Phosphor und Schwermetalle bereinigt. „Das wissen aber die wenigsten", sagt Panagiotopoulou. „Kaum einer ist sich bewusst, dass er viel mit naturwissenschaftlichen Themen zu tun hat."

Das will sie ändern. Will zeigen, dass chemische Verbindungen auf dem Blatt öde sein können, aber in der Praxis spannend zu beobachten sind. Sie will aufklären, dass das Berufsbild sich in den vergangenen 20 Jahren gewandelt hat – und sich in Zukunft immer weiterentwickeln wird. „Genau deswegen habe ich mich für den Beruf entschieden", sagt Sensfelder. Er schätzt die Abwechslung, die ihm sein Beruf bietet. Später will er den Techniker oder ein Studium der Umwelttechnik dranhängen. Der Beruf des Abwassertechnikers ist sehr spezialisiert, aber auch nötig – und zukunftssicher. „Abwasser wird es immer geben", sagt Panagiotopoulou.

Wie dieses wieder sauber wird, interessiert die Schüler am meisten. „Deswegen bin ich hier", sagt der 15-jährige Erik. Im Klärwerk werden jeden Tag etwa 50 000 Kubikmeter Wasser gereinigt. Nicht auf Trinkwasser-Qualität, aber pH-neutral.

Großer Stauraum

„Über sieben Stein ist das Wasser rein", besagt ein altes Sprichwort. Das Klärwerk bedient sich genau des gleichen Prozesses wie die Natur – nur intensiver. Vom Stauraum, der bis zum Hauptbahnhof reicht, fließt das Abwasser der Innenstadt durch die verschiedenen Filter. Zunächst bleiben die groben Schadstoffe hängen. Dann immer kleinere, bis zuletzt der Sand abgesogen wird. Ein Prozess, der zwar routiniert abläuft, aber jeden Tag abwechslungsreich.

Das Abwasser ist nach eineinhalb Tagen wieder so sauber, dass es in den Rhein abgelassen wird. Sich an den Gestank zu gewöhnen, mag etwas länger dauern. Aber es lohnt sich. Auch, wenn ein Azubi keine Autos aus dem Wasser fischt.

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