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In Bremens plastikfreiem Himmel

Foto: Christian Walter

Zapfsäulen mit Haferflocken, Nüssen oder Müsli: Redakteur Max Seidenfaden beim Einkauf im Unverpackt-Laden „Selfair" im Steintor.

Der Tag hätte so gut beginnen können. Montagmorgen, 8 Uhr, Zeit zum Duschen und dann Frühstücken. Wenn da nicht mein Vorhaben wäre, eine Woche lange auf Produkte zu verzichten, die aus Plastik bestehen oder darin eingepackt sind.

Das Problem beginnt im Badezimmer: Zahnbürste und Zahnpasta? Aus Plastik und davon ummantelt! Duschgel? Das gleiche Problem! Vom Deo fangen wir gar nicht an zu reden. Da es wieder warm wird und ich nicht von den Kollegen geächtet werden will, beschließe ich, die Regeln ein letztes Mal zu brechen. Mit schlechtem Gewissen dusche ich und putze mir die Zähne.

Ein Blick in den Kühlschrank ruft aber gleich das nächste Problem auf den Plan. Der Joghurt ist im Plastikbecher, die Milch in der Papptüte mit Plastikverschluss. Nur Marmelade ist im Glas und die Rettung am Morgen. Mit zwei Brötchen vom Bäcker, die von der freundlichen Bedienung in meinen Jutebeutel gesteckt werden, beruhige ich den knurrenden Magen. Auf einer Liste notiere ich mir ein paar Sachen, die ich später in einem Unverpackt-Laden kaufen will.

Am Mittag setze ich mein Vorhaben in die Tat um: Im Steintor befindet sich mit SelFair ein Laden, der seit zwei Jahren diverse unverpackte Waren verkauft - einen ähnlichen Laden gibt es auch mit dem Füllkorn in der Neustadt. Von außen sehe ich das „Plastikfrei"-Schild im Schaufenster und fühle mich wie im Paradies: Loses Obst und Gemüse ohne Plastikverpackung, große Zapfsäulen mit Haferflocken, Nüssen oder Müsli, dazu diverse unverpackte Körperpflegeprodukte und eine Feinkosttheke, in der man seit Kurzem auch alles in eigene Dosen und Gläser abfüllen lassen kann - notfalls gibt es aber auch biologisch abbaubare Plastikschälchen zum Befüllen.

Einziges Manko: Die großen Spender sind aus Plastik. „Als wir den Laden geöffnet haben, gab es noch keine Alternativen", sagt Inhaber Selcuk Demirkapi, schiebt aber einen nicht unerheblichen Faktor für ein plastikfreies Leben hinterher: „Man muss zwischen gutem und schlechtem Plastik unterscheiden." Schlecht, das sind beispielsweise sämtliche Verpackungen, die umgehend im Müll landen. Gut ist Plastik, wie die Behälter, das man immer und immer wieder benutzen kann. Ich kaufe Müsli, Nüsse und Zahnpastapillen (!), die ich in mitgebrachte Gläser abfülle, eine Bambuszahnbürste sowie festes Deo und festes Shampoo in kleinen Pappschachteln. Während ich es von Vorteil finde, dass ich die Menge für Müsli und Co. selbst bestimmen kann und nicht fertig abgepackte Riesenpackungen kaufen muss, stockt mir bei Shampoo und Deo etwas der Atem. Zwölf Euro zahle ich für 55 Gramm des Duschblocks, 13 Euro kosten 30 Gramm Deo. Wie lange diese halten werden, werde ich in den nächsten Tagen testen müssen. Insgesamt zahle ich 35 Euro. Die Preise, abgesehen von Duschblock und Deo, sind absolut fair.

Plastikfreies Leben: Ein fast hoffnungsloses Unterfangen

Zurück in der Redaktion treibt mich der Durst am frühen Abend in den benachbarten Discounter ‒ und auch schnell wieder raus. Egal ob Saft, Wasser oder Cola, alle Getränke gibt es nur in der Plastikflasche. In einem anderen Supermarkt werde ich aber fündig: Ich decke mich schnell mit zwei Glasflaschen Wasser für die Spätschicht ein. Den ersten Tag ohne Plastik habe ich überlebt, auch wenn es noch Verbesserungspotenzial in meinen Abläufen gibt.

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