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Games mit Einstiegshilfen: Einfach spielen

"Der weiße Tanuki-Anzug ist eine fürchterliche Idee: Widerlich, dass sie dir diese Option überhaupt geben": Mit solchen Postings sah sich Nintendo noch 2015 konfrontiert, zwei Jahre, nachdem der Konzern eine Vereinfachung in "Super Mario 3D World" eingebaut hatte. Scheitern die Spieler fünf Mal in Folge, erscheint in dem Spiel ein weißer Tanuki-Anzug, den sich Mario überziehen kann. Scheitern ist dann beinahe unmöglich. Eine praktische - und optionale - Hilfe für einige, der Untergang des Gamertums für andere.

Denn häufig wird der Versuch, Videospiele einsteigerfreundlicher zu machen, mit Häme begleitet. So stören sich beispielsweise immer wieder erfahrene Spieler an alternativen Spielmodi oder kleinen Hilfen speziell für Neulinge. Der Schwierigkeitsgrad, so scheint es, ist das Heiligtum vieler Gamer, das Bestehen eines bockschweren Spiels eine schmückende Trophäe. Manches sollen bitte nur die Besten schaffen. Das macht es Entwicklern nicht einfacher, neue Ideen für Anfänger zu testen.

Einfach ist nicht einfach

Probiert wird es trotzdem, etwa im Freitag erscheinenden "Assassin's Creed: Origins". Einfach, Mittel, Schwer - die Spieler können im neuen Spiel der Serie wählen. Diese Option gab es bisher in keinem "Assassin's Creed"-Teil.

"Wir wissen, dass ein 'Assassin's Creed' ganz unterschiedliche Spieler anzieht", sagt dazu Jean Gusdo, Creative Director bei Ubisoft. "Einige haben gar keine Lust aufs Kämpfen und wollen einfach nur erkunden. Andere jedoch suchen die Herausforderung." Aus diesem Grund habe man sich erstmalig für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade entschieden: "Wir wollen keine Spieler ausschließen."

Doch nicht jeder, der gern mehr oder besser spielen würde, scheitert am Schwierigkeitsgrad. Für manchen prinzipiell Gaming-Interessierten ist die Schwelle viel niedriger. Denn Videospiele sind mitunter wie eine Fremdsprache, sie müssen erlernt werden. Es gibt Genrebezeichnungen, Gamer-Talk, Fachbegriffe wie Gameplay, Loot, Camper, DLC, Season Pass, RPG.

Es sind Begriffe, die ausschließen können. Wer sich einem Videospiel zum allerersten Mal nähert, wird nicht von süßen Worten bezirzt. Sondern eher erschlagen von einem Wirrwarr an Konventionen.

Und dann liegt vielleicht noch der Controller schwer in der Hand. So viele Knöpfe, so viele Möglichkeiten - und so viele Fragen. Da wo das Nintendo Entertainment System (NES) sich einst noch mit vier Knöpfen - Start, Select, A, B - zufriedengab, warten aktuelle Videospiele teilweise mit doppelten Knopf-Belegungen der sowieso schon überfrachteten Controller auf.

Vieles wird vorausgesetzt

Ein Hinterfragen des Steuerkonzepts mag für erfahrene Spieler albern klingen. Aber solche Hürden manchen Anfängern den Einstieg nicht leicht. Das bestätigt auch Jan David Hassel, Mitbegründer des Berliner Studios Inbetweengames. "Es gibt da natürlich eine gewisse Literarität in Spielen, die häufig vorausgesetzt wird", sagt er. "Das fängt schon beim selbstverständlichen Navigieren eines dreidimensionalen Raums mit Maus und Tastatur oder eben per Controller an, wie es etwa bei First-Person-Spielen üblich ist."

Wie können Entwickler dem begegnen? 2006 galt die Nintendo Wii mit ihrer Bewegungssteuerung als eine Antwort. Und tatsächlich verkaufte sich die Konsole atemberaubend und fand sowohl in Kinderzimmern als auch in Altersheimen ihren Platz.

Doch heute ist von der Begeisterung rund um Bewegungssteuerung kaum etwas geblieben. Erfahrene Spieler waren schnell gelangweilt, Gelegenheitsspieler zogen weiter zum Smartphone, das zugänglichere Erlebnisse als Konsolen- und PC-Spiele bietet. Die Mobilspiele können oft sogar mit einem Finger bedient werden - nebenbei in der U-Bahn oder im Wartezimmer. Nach guten Mittelwegen aus Spieltiefe und Zugänglichkeit wird weiter gesucht.

Spiele für die klassische Zielgruppe

Jan David Hassels Studio arbeitet gerade an "All Walls Must Fall", einem Taktikspiel, das sich mit der Idee auseinandersetzt, dass die Mauer nie gefallen ist. Dieses Thema mag auch Nicht-Gamer ansprechen, konzipiert ist das Spiel aber eher für sogenannte Core-Gamer. Für jene, die wissen, was sie in dem Genre zu erwarten haben, die sich in der Videospiel-Welt auskennen.

"Natürlich versuchen wir das Spiel so zugänglich wie möglich zu machen", sagt Hassel. "Allerdings muss man zugeben, dass dies gerade für Entwickler, die Jahre mit einem Spiel zubringen, sehr schwierig ist. Da hat man einfach irgendwann Scheuklappen auf. Man kennt sein eigenes Spiel eben in- und auswendig".

Es ist also nicht leicht für Entwickler: Verlassen sie tradierte Pfade, laufen sie Gefahr, dass die erfahrenen Spieler sich ärgern oder vernachlässigt fühlen. Und setzen sie zu sehr auf Core-Gamer, fällt es ihren Spielen schwer, neben der klassischen Zielgruppe auch ein unerfahrenes Publikum für sich zu gewinnen.

Kann sich Jean Guesdon ein "Assassin's Creed" vorstellen, das sich mit nur zwei Knöpfen spielen lässt? "Man weiß nie, was die Zukunft bereithält", antwortet er auf diese Frage. "Aber damit den Spielern totale Freiheit in einer riesigen Welt zu erlauben, wäre wohl eine sehr, sehr große Herausforderung."

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