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"Doom": Die verdammte Gewalt

Im Anfang war die Faust, und die Faust griff das Monster, und das Monster war tot. So beginnt das neue Doom, 23 Jahre nach dem ersten Teil, seine Erzählung von Höllenkreaturen, bombastischen Waffen und exzessiver Gewalt. Damals erschütterte der Shooter die Videospielszene. 3D-Grafik in Egoperspektive und jede Menge Blut waren plötzlich die Form, in die Egoshooter gegossen werden mussten. In Deutschland wurde das Spiel ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung indiziert und erst 2011 wieder von der Liste gestrichen. Die Gewaltdarstellungen waren für die BPjM (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien) zu problematisch, das Spielen habe zur Verrohung von Minderjähren führen können und wurde somit verboten.

"Killerspiele" werden solche Titel in Deutschland genannt. Das ZDF hat gerade erst eine gelungene Dokumentation zu diesem Thema gedreht. Sie greift den Diskurs hierzulande auf, der Games eigentlich nur unter einem Aspekt betrachtete: Wie gefährlich sind diese wirklich? Die Frage, ob vermeintlich übertriebene Gewalt in einem Videospiel nötig ist - oder gar schädigend - könnte daher auch das neue Doom treffen. Dabei ist die interessantere Frage, welche Funktion diese radikale Gewalt in solchen Spielen hat. Und ob dieses Schema auch 23 Jahre später noch funktioniert.

Der Prozess der Zivilisation

Der Soziologe Norbert Elias hat 1939 in seinem Werk Über den Prozeß der Zivilisation die Genese der heutigen, "zivilisierten" Gesellschaften beschrieben. Ein Hauptaugenmerk legte er dabei auf den Rückgang von alltäglicher Gewalt. Je weiter sich unsere Gesellschaft differenziert habe, desto mehr habe jeder Einzelne sein Verhalten mit dem anderer Menschen abstimmen müssen. Impulsive Affekte, so auch die Gewalt, zu dämpfen, sei ein entscheidender Antrieb dieses Zivilisationsprozesses gewesen. So seien Räume entstanden, in denen der plötzliche "schockartige Einbruch" von zügelloser Gewalt weitestgehend ausgeschlossen werden konnte. Die Einübung solcher gesellschaftlichen Verhaltensregeln sei auch durch die Kunst passiert. So sei etwa der mittelalterliche Minnesang ein Zeugnis davon, wie am Hof das Ansingen einer Frau aus der Ferne einem impulsiven Nachgeben eines Sexualtriebs vorgezogen wurde.

Doom kehrt dieses Verhältnis um. In einer Gesellschaft, die den Verzicht von alltäglicher, zwischenmenschlicher Gewalt immer wieder ritualisiert einübt, bietet das Spiel einen künstlichen Freiraum, in dem alle Gesetze, alle vermeintliche Stabilität des Systems aufgebrochen, ja niedergeschossen werden.

Die Waffen erzählen die Geschichte

Denn sicher ist: Gewalt fasziniert uns. Egal, ob im Videospiel, im Film, in einem Roman oder in mittelalterlichen Heiligenviten. Der Einbruch von purer Gewalt, der Verlust jeglicher Kontrolle, ist eine Angst, mit der sich die Menschheit seit jeher beschäftigt und die sie zu erklären versucht.

Zu erklären versucht das neue Doom so gut wie gar nichts. Die Story ist vollkommen belanglos - und das muss sie auch sein. Wir sind auf dem Mars, die Hölle ist losgebrochen, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Wesen mit dämonischer Stimme erklärt uns, dass unsere Feindin eine Frau Olivia Pierce ist, die ein wenig aussieht wie Tilda Swinton. Die eigentliche Geschichte jedoch wird durch die vielen Waffen erzählt, die uns zur Verfügung stehen. Von der Shotgun über den Raketenwerfer bis zu einer Kettensäge. Jede Waffe hat ihren eigenen Charakter, einen ganz spezifischen Sound, man meint sie beinahe in den Händen zu spüren, so plastisch sind sie.

Die schrammelige Gitarrenmusik ist immer noch treibend wie vor 23 Jahren, die Kreaturen sind phantasievoll gestaltet und ihre Schreie schauriger denn je. Die Steuerung ist auf den Punkt, die Missionen sind gerade blöd genug, um sie schulterzuckend zu erledigen. Und wenn hin und wieder jemand darüber schwadroniert, dass die Menschheit die Hölle braucht, um die Energiekrise zu besiegen, dann schmunzelt man kurz und legt das Plasmagewehr an.

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