1 Abo und 1 Abonnent
Interview

Demokratie statt internationale Technokratie

Interview mit Sven Giegold, Mitglied der Grünen Fraktion im Europaparlament, über seine Kritik an TTIP, die möglichen Auswirkungen des Abkommens und des Demokratiedefizits bei den Verhandlungen.

Ganzes Interview: https://www.forum.lu/wp-content/uploads/2015/11/7948_344_Giegold.pdf

Herr Giegold, können Sie uns vier Gründe nennen, warum Sie das Freihandelsabkommen TTIP ablehnen?

Sven Giegold: Es geht erstens um die Frage nach Demokratie in der Globalisierung: Wer bestimmt die Regeln einer zusammenwachsenden Welt und wie sollen diese Regeln ausgestaltet sein. TTIP ist der Versuch, globale Standards zu setzen, dabei wird aber nur zwischen den USA und der EU verhandelt. Das ist insofern fragwürdig, weil wir aus guten Gründen eine internationale Handelsordnung haben, die zwar auch viele Defizite hat aus Sicht von Gerechtigkeit und Ökologie, aber immerhin einen Interessenausgleich ermöglicht. Zweitens greift TTIP in die Rechte der Staaten ein, Regeln für Unternehmen zu setzen. Es ist daher ein Eingriff in die Ordnung der sozialen Marktwirtschaft, die wir in Europa haben. Zu einer sozialen Marktwirtschaft gehört, dass Staaten Regeln für alle Unternehmen setzen. Dazu gehört nicht, dass solche Regeln unter Schadensersatzvorbehalt gestellt werden, die dann von Schiedsgerichten entschieden werden, die nicht einmal dem normalen Rechtsweg entsprechen. Und drittens greift TTIP in die bisherige Verteilung staatlich-privat ein. Es wird genauso wie bei CETA und bei TiSA versucht, Einschränkungen vorzunehmen, was überhaupt noch als Güter öffentlicher Daseinsvorsorge definiert werden kann. Somit ist TTIP auch ein Eingriff in die freie Entscheidung sowohl der Staaten als auch der Kommunen, welche Dienste sie zukünftig in öffentlicher Hand lassen wollen und welche liberalisiert sind. Insgesamt ist TTIP daher ein Angriff auf die Demokratie insgesamt und die europä- ische Demokratie im Besonderen. Schlussendlich entspricht die Art und Weise, wie TTIP verhandelt wird – das heißt hinter verschlossenen Türen unter besonderer Beteiligung der Lobbyisten aus Großunternehmen und mit einem Mangel von Transparenz über den Verhandlungsstand – nicht dem Verständnis von Demokratie im 21. Jahrhundert.

(...)