Matthias Jundt

Redaktionsvolontär der Mittelbadischen Presse, Offenburg

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Winfried Kretschmann zu Gast im "Haus zum Pflug" in Lahr

Lahr verhalte sich vorbildlich bei der Flüchtlingsunterbringung, die Änderungen in der Schulpolitik sollen die Bildungschancen von der Herkunft lösen und die demonstrierenden Russlanddeutschen sind nur ein kleiner Teil der Spätaussiedler - das sagten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Landtagsabgeordnete Sandra Boser am Donnerstag im "Haus zum Pflug im Lahr". Knapp 200 Besucher waren gekommen, um der von Ex-SWR-Moderator Stefan Siller geleiteten Diskussion zu lauschen. Vor der Diskussion stimmten Sängerin Hannah Wilhelm und Gitarrist Max Erb das Publikum musikalisch auf den Abend ein.

Ein entscheidendes Thema der vergangenen Legislaturperiode im Land war die Bildungspolitik. Boser, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen im Landtag, wurde sogar persönlich von einigen Demonstranten beleidigt. "Die Dinge, die uns bei den Protestaktionen vorgeworfen wurden, haben wir so nie gefordert", sagte sie.

Sie meinte damit etwa Menschen, die die Landesregierung beschuldigten, den Kindern schon im Kindergarten pornografische Filme zeigen zu wollen. Es gehe den Grünen lediglich darum, zu zeigen, dass die Gesellschaft vielfältiger geworden sei, ergänzte Boser.

Dass das Thema Gemeinschaftsschule so große Wellen geschlagen hat, kann Kretschmann verstehen. Die Gesellschaft habe sich aber gewandelt und individualisere sich immer mehr. "Darauf haben wir reagiert. Wir wollen den Bildungserfolg von der Herkunft entkoppeln", sagte er.

Dafür habe die Landesregierung die Ausgaben pro Schüler um 18 Prozent erhöht. Keine Region in Europa, merkte Kretschmann an, stecke so viel Geld in Bildung wie Baden-Württemberg. Er wehrte sich außerdem gegen die Vorwürfe eines Herausforderers, die Grünen wollten den Menschen alles vorschreiben. Mit der Gemeinschaftsschule habe man lediglich eine weitere Option geschaffen.

Zusätzliche Stellen Das Gymnasium wollen die Grünen nicht abschaffen. Bosers Beweis: Für das kommende Schuljahr werden 111 weitere Lehrerstellen an Gymnasien für den Übergang von der elften zur zwölften Klasse geschaffen. "G 8" verteidigten beide. Boser: "Es gibt keine objektiven Studien, die sagen, dass ›G 9‹ angenehmer für die Kinder wäre als ›G 8‹."

Beim Thema Flüchtlinge lobte Boser die "positive Willkommenskultur" der Region. Besonders Lahr, das sehr viele Asylsuchende aufgenommen hat, hob sie wohlwollend hervor. Man müsse jetzt aber aufpassen, sozial Schwache nicht an den Rand zu drängen. Sie müssten ins Zentrum.

Dass einige Menschen zunächst Angst vor Flüchtlingen hätten, sei völlig normal, sagte Kretschmann. Man müsse aber versuchen, diese Ängste zu zerstreuen. In jeder Gesellschaft gebe es einen Bodensatz, der fremdenfeindlich ist. In Deutschland ist das nach Kretschmanns Ansicht die AfD - "dagegen kann man erstmal nicht viel machen". Man müsse aber dafür sorgen, dass diese Gesinnung nicht in die Mitte der Gesellschaft vordringt.

Der Ministerpräsident sagte aber auch, dass sich jeder an das Gesetz halten müsse. Die Ereignisse in Köln hätten aber nichts mit Flüchtlingen zu tun: "So was ist nirgends auf der Welt erlaubt. Das war ein Angriff auf den Rechtsstaat." Dagegen müsse man "harte Kante" zeigen.

"Kleiner Teil" Zu den Demonstrationen der Russlanddeutschen auch in Lahr sagte Boser, dass man jetzt schauen müsse, was schief läuft. Ein kleiner Teil der Spätaussiedler lasse sich von Russland beeinflussen. Einige hätten Angst, durch den Zuzug der Flüchtlinge Verluste zu erleiden. Es gebe aber auch viele Russlanddeutsche, die nichts mit den Demonstrationen zu tun haben wollten. Sie begrüße das Projekt "Bürgerzentrum K 2" am Kanadaring daher auch sehr.

Beide beteuerten, weiter regieren zu wollen. Nicht aber wegen des Geldes, wie Kretschmann augenzwinkernd sagte: "Ich muss nicht MP bleiben, um mein Haus abbezahlen zu können."

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