Erst Ballerina, später Investment-Analystin. Einmal Platz eins in den Charts – und dann? Wer sich heute beruflich treu bleiben will, muss auch mal Risiken eingehen.
Die zwei Karrieren des Florian Sump haben einiges gemeinsam: Bühnen, Beats und Fanpost. Doch zwischen dem Erfolg mit der Popband Echt und seinen aktuellen Hits liegen zwölf Jahre und fünf verschiedene Jobs.
In Baggy-Pants und mit aufblasbarer Plastikgitarre in der Hand rappt der 35-Jährige: "Oma, gib mir Schokolade! Yeah!" Nebel, Scheinwerfer, Fans hüpfen und kreischen, Jungs und Mädchen, sechs bis zehn Jahre alt. Man muss kein Musik-Nerd sein, um die Hamburger Band Deine Freunde zu kennen. Man muss Kinder haben. Sump schreibt Texte gegen die Ordnung im Kinderzimmer und "Dutzi-dutzi"-Attacken der Erwachsenen. Deine Freunde sind die erfolgreichste Kinderband der vergangenen Jahre. "Ich habe mehr Spaß dabei, Kids zu zerrocken, als vor Tausenden hysterischen Teenagern zu spielen. Und die Kinder wollen einen wenigstens nicht heiraten", sagt Sump.
Seine erste Karriere endete bereits, als seine Freunde sich auf ihre ersten Jobs bewarben: mit 21 Jahren. Sump spielte damals Schlagzeug bei Echt. Die Popband wurde gefeiert als die deutschen Backstreet Boys. Platz eins in den Charts, ausverkaufte Konzerte, und Videos wie Weinst du? liefen in Dauerschleife im Fernsehen. Nach vier Jahren im Rampenlicht trennte sich die Band. "Musik hat für mich nur zusammen mit Leidenschaft funktioniert. Das hat es danach natürlich nicht einfach gemacht", sagt Sump.
Florian Sump ist einer von vielen in seiner Generation, deren Lebenslauf dehnbar scheint wie ein Gummiband. Besonders gut ausgebildete Absolventen wechseln ihren Job und ihre Branche heute schnell, weil Firmen oft Jahresverträge ausstellen und junge Arbeitnehmer sich ausprobieren wollen. Wenn alles möglich zu sein scheint und nichts mehr sicher ist, bekommen die Sinnhaftigkeit der Arbeit und der Drang zur Selbstverwirklichung eine große Bedeutung. Man will keinem Unternehmen mehr treu bleiben, sondern sich selbst.
Wie Florian Sump beendete auch die Ballerina Maira Fontes ihre erste Karriere. Heute arbeitet sie als Investment-Analystin. Und der Krankenpfleger Fabian Fiechter ging mit dreißig an die Uni und studierte Fotojournalismus. Ihre Fälle beschreiben den Wandel in der Arbeitswelt. Alle drei haben sich beruflich verändert, um sich selbst treu zu bleiben. Doch wie kann man sich selbst überhaupt treu bleiben, wenn jeder mehrere Karrieren haben kann? Und wo und wann muss man Kompromisse eingehen?
Morgens, sieben Uhr, Frühstück mit einer Kindergruppe, Grau- oder Vollkornbrot, Wasser oder Tee und am Nachmittag: Musikprogramm, Singen und Tanzen im Kreis. Die Tage in der Kita in der Hamburger HafenCity sind getaktet. Zweimal in der Woche arbeitet Florian Sump dort. In der restlichen Zeit schreibt er Songs, spielt Konzerte oder probt im Studio. Ein Künstlerleben in Teilzeit. Für die Freiheit, die er will, gibt er die Sicherheit einer festen Stelle auf.
"Gerade läuft es gut, aber man muss manchmal durch ungemütliche Zeiten gehen", sagt Sump. In den Jahren nach Echt trug er mal als Umzugshelfer Kisten, mal sortierte er in einer Videothek Filme, um Geld zu verdienen. Statt sich an ein Arbeitsumfeld anzupassen, suchte Sump ständig neue Herausforderungen. Er hatte eine Regel, um sich treu zu bleiben: Wenn er morgens nicht gern zur Arbeit ging, kündigte er. "Man läuft sonst Gefahr, zu einem Bald-ist-wieder-Wochenende-Zombie zu werden", sagt Sump.
In der Kita fing er nur an, um seinen Zivildienst zu leisten - und blieb. Vor vier Jahren begann er wieder Songs zu schreiben und testete seinen Kinder-Rap in der Kita-Gruppe. Die Kinder flippten aus. Inzwischen hat er sein drittes Album rausgebracht und tourt im Herbst durch Deutschland. "Wir revolutionieren die Kindermusik!", sagt Sump. Er ist zufrieden, aber ob er der nächste Rolf Zuckowski werden und noch in zwanzig Jahren rappen will, weiß er nicht.