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Diese Bäume werden in ein, zwei Jahren weg sein

Zwei Jahre Trockenstress haben dem Stadtwald zugesetzt. Um die Lösung zu finden, experimentieren die Förster nun mit Bäumen aus der Türkei.

Im Glasofener Wald, dort wo ein Schild an Zielübungen von Flugzeugen der Wehrmacht vor 80 Jahren erinnert, klafft heute ein riesiges, abgezäuntes und leeres Feld. Verursacht nicht von den Bomben – es waren nur Attrappen aus Beton, die findige Altfelder nach dem Krieg wiederverwendeten – sondern von Hitze, Stürmen und Borkenkäfern. Thomas Vogel, Forsttechniker bei der Stadt Marktheidenfeld, zeigt auf die Baumreihe hinter dem Loch. "Dieser Teil wird in ein, zwei Jahren weg sein", sagte er. Entweder durch einen Sturm, schon 100 km/h würden wahrscheinlich reichen, oder den Borkenkäfer. "Einige Bäume da drin sind schon braun." 


Die vergangenen zwei Trockenjahre haben dem Marktheidenfelder Stadtwald zugesetzt. Sämtliche Altersklassen und nahezu alle Baumarten auf der 781 Hektar großen Fläche waren von der Trockenheit und damit auch Borkenkäfern betroffen, allen voran die Nadelhölzer. Haben sie vor 30 Jahren mit etwa 70 Prozent den Wald geprägt, ist der Anteil heute auf etwa 30 Prozent gefallen. Sorgenkind ist vor allem die Fichte. Deren Anteil ist im selben Zeitraum von 36 auf nur noch zehn Prozent gefallen. Forstdirektor Wolfgang Netsch sagte: "Durch die Kalamitäten hat sich das Gesicht des Waldes geändert."

Stadt verliert allein 2020 fast 400 000 Euro an Einnahmen

Vogel und Netsch führten am Dienstag den Stadtrat durch den Marktheidenfelder Stadtwald. Es geht ihm vergleichsweise gut, lautete die Botschaft des Abends. Einer der Gründe sei, so die beiden, dass die Stadt in den vergangenen 30 Jahren gut in ihren Wald investiert habe. 

Das Problem ist jedoch das Schadholz. Allein in den vergangenen zwei Jahren seien acht Hektar Freiflächen, also ein Prozent der ganzen Fläche, durch tote oder umgestürzte Bäume entstanden. Außerdem werde der nachhaltig mögliche Holzeinschlag (4700 Festmeter) allein durch die Aufarbeitung des Kalamitätsholzes (6200 Festmeter) überschritten – und zwar deutlich. Das ist nicht nur schlecht für den Wald, sondern auch für den Holzverkauf, im Endeffekt also für Geldbeutel der Stadt. Netsch: "2017 hatten wir auf dem Holzmarkt noch paradiesische Zustände. Dann kam eine kaum bekannte Krise."


Vogel rechnet vor: In Normaljahren hätte man über sämtliche Holzsortimente hinweg durchschnittlich 60 Euro pro Festmeter verdient. Bei 6200 Festmetern seien das 372 000 Euro. Weil der Holzmarkt durch die Trockensommer und das ganze Schadholz verstopft und gerade auch noch das Öl so billig sei, kann er mit höchstens 20 Euro pro Festmeter, also 125 000 Euro rechnen. Das bedeutet einen Verlust von beinahe einer Viertelmillion Euro. Rechnet man Aufarbeitungs- und Rückekosten noch raus, komme die Stadt bei Null raus, so Vogel.

Außerdem: Noch ist auch nicht alles verkauft. Kommendes Jahr wird man zudem wieder Frischholz schlagen müssen, nur um Abnehmer halten zu können, sagte Vogel. Zudem dürften noch einmal mindestens 6000 Festmeter Schadholz im Wald stehen. Was macht man mit dem Holz, wenn es nicht verkauft werden könne, wollte Wolfgang Kempf (FW) wissen. Man müsste es verhackschnitzeln, so Netsch. "Mich persönlich berührt das sehr. Diese Bäume sind 80 Jahre gewachsen und jetzt müssen wir sie praktisch wegwerfen." 

So wollen die Förster den Wald klimaresistenter gestalten

Die gute Nachricht: Weil es im Winter zumindest wieder durchschnittlich viel geregnet hat, konnte die Forstverwaltung zumindest vier Hektar wieder aufforsten. Der Fokus lag hier und wird auch weiter auf klimatolerantem Mischwald liegen. Das sind Baumarten wie die Eiche, die Buche, die Linde. Man werde auch mit Arten aus Südfrankreich oder der Türkei experimentieren, wie zum Beispiel die Baumhasel. "Hinsichtlich der Baumarten gibt es kein Patentrezept. Aktuell geht es daher um Risikominimierung ", sagte Vogel. 


Gegen Ende des Rundgangs zeigten Netsch und Vogel noch eine besondere Stelle: einen Birkenwald, der ziemlich genau hinter dem Flugsportclub Altfeld liegt. "Unser Poster-Wald", nannten sie den Wald, den man wohl bald auf den Instagram-Kanälen einiger Stadträte begutachten werden kann. Vor Jahren haben man auf diesen vier Hektar die Vielfalt erhöht, so Vogel. "Denn Wanderwege, frische Luft und Naherholung: das kann man nicht in Euros rechnen."

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