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Ein Minister gegen alle

Die ausgebaute A3 zwischen den Anschlussstellen Rohrbrunn (Lkr. Aschaffenburg) und Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) wird für den Verkehr freigegeben. Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, war Ehrengast in einer für ihn schwierigen Zeit. Foto: Nicolas Bettinger

Andreas Scheuer lacht. Es ist kurz vor halb eins an einem Dienstag. Der Himmel ist wolkenverhangen, der Regen nieselt auf seine leicht ergrauten, aber durchgestylten Haare. Gerade hat der Bundesverkehrsminister ein Interview mit einem Fernsehteam beendet. Er steht mitten auf einem Autobahnrastplatz, scherzt mit der Kamerafrau. Im Zelt links von ihm wartet die Esselbacher Blasmusik auf ihren Einsatz. Rechts von ihm ist ein kleines Holzpodium aufgebaut mit der bayerischen Flagge auf der hinteren Wand. Gleich wird er hier 13 Kilometer der A3 freigeben.

Kaum tritt Scheuer hinter dem Zelt hervor, beginnt die Blasmusik zu spielen. Bei der obligatorischen Begrüßung nennt ihn Reinhard Pirner, Präsident der Autobahndirektion Nordbayern, als Ersten - Minuten vor allen anderen Ehrengästen. Andreas Scheuer lächelt, dann tritt er zum Podium. Er sagt: "Solche Termine, wie den heute, hätte ich am liebsten öfter."

Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, bei einem Plausch vor der Autobahnfreigabe. Foto: Nicolas Bettinger

Dieser verregnete Rastplatz vor Esselbach scheint für Scheuer gerade einer der letzten Plätze in Deutschland zu sein, wo er noch Rast findet. Hier ist CSU-Mann Scheuer unter den seinen. Den Bayern, den Autofreunden, den Parteifreunden, den Geistlichen, auf die er sich ja besonders freue, wie er in seiner Rede sagen wird. Hier kann der amtierende Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur vor etwa 100 Bauarbeitern, Politikern, Anwohnern und einem Spiegel-Reporter zeigen, dass mit dem Ausbau der A3 zwischen Marktheidenfeld und Rohrbrunn etwas geklappt hat. Währenddessen diskutiert der Rest von Deutschland zum gefühlt zehnten Mal in diesem Jahr, ob Scheuer überhaupt noch in diesem Amt tragbar ist.

Schon länger war Scheuer wegen des Debakels um die sogenannte "Ausländer-Maut" kritisiert worden. Am Montag veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung Auszüge aus dem aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofes. Auf 28 Seiten zerlegt dieser die Arbeit Scheuers. Sein Ministerium soll gegen Haushalts- und Vergaberecht verstoßen und den Bundestag hintergangen haben, schreibt die Zeitung. Konkret wäre die Pkw-Maut deutlich teurer geworden, als vom Parlament erlaubt. Im Versuch, die Kosten durch Nachverhandlungen zu drücken, soll Scheuer zum einen gescheitert sein und zum anderen die anderen Bieter außen vor gelassen haben. Diese könnten nun auch noch klagen.

Scheuer ist es also gewohnt, im Regen zu stehen - und dabei macht er einen lockeren Eindruck, auch an diesem Nachmittag, an dem die Tropfen immer dicker werden. Auf dem Podium spricht er lieber darüber, dass man bei dem Ausbau nicht nur im Kostenrahmen, sondern auch vor der Zeit geblieben sei. Man habe Verantwortung übernommen, auch gegenüber der Natur, sagt er. 500 Zwergfledermäuse hätten im Ausbaugebiet der A3 ihr Winterquatier gehabt. Extra deswegen habe man den Ausbau ein paar Monate nach hinten verschoben.

Kleine Seitenhiebe kann sich Scheuer aber dann doch nicht verkneifen. Er sehe hier auch viele ausländische Kennzeichen: "Für bestimmte Finanzierungsmodelle werde ich keine Aussagen treffen. Das aber nur so nebenbei." Auf seinem Rastplatz wird geschmunzelt.

Die Geistlichen kritisieren Scheuer

Dann kommt aber der Auftritt der beiden Geistlichen. Minutenlang hatte sich Scheuer in seiner Rede darüber gefreut, dass in Nordrhein-Westfalen jetzt wieder Geistliche die Straßen einweihen. Die unterfränkischen Geistlichen bringen Scheuer an diesem Tag jedoch in die reale Welt zurück. "Wir bitten nicht um Segen für den Teer, sondern für die Menschen, die hier fahren", sagt der katholische Dekan Hermann Becker.

Der Aschaffenburger Dekan Rudi Rapp (am Pult) und sein katholischer Kollege Hermann Becker bei der Segnung. Foto: Nicolas Bettinger

Straßen könnten ein Segen sein, sie verbinden. Sie könnten aber auch ein Fluch sein. "Wir müssen mit den Vorgaben der Natur umgehen. Deswegen: Ausbau ja, aber bitte keine sonstigen mehr."

Auch sein Amtskollege, der Aschaffenburger Dekan Rudi Rupp, spricht Scheuer mit einem Bibelzitat - 1. Korinther 6, Vers 12 - direkt an: "Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten." Ein Seitenhieb, hatte Scheuer Anfang des Jahres doch gesagt, ein Tempolimit und höhere Dieselsteuern seien "gegen jeden Menschenverstand". Mehr Kontrolle, mehr Sanktionen und mehr Strafen wünscht sich Rupp.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Scheuer schon lange einen Regenschirm für sein nasses Haupt geholt. Er wird ihn vermutlich auch in den kommenden Wochen brauchen.

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