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Facebook, Google und Amazon: So zahlen Tech-Giganten endlich faire Steuern

Digitalfirmen wie Facebook und Google zahlen in der EU nur halb so viele Steuern wie „klassische" Unternehmen. Um dies zu ändern, hat die Politik teilweise gefährliche Ideen. Dabei gibt es bereits eine Lösung.


Mit dem aktuellen Steuersystem bekommen Staaten Gewinne von Digitalfirmen nicht zu fassen. Kein Wunder, es ist über 100 Jahre alt. Digitalfirmen zahlen in der EU effektiv nur 9,5 Prozent Steuern heimische Unternehmen jedoch 23 Prozent. Im März hat die Europäische Kommission nun einen Vorschlag zur Reformierung vorgelegt. Hier kollidieren jedoch so viele Einzelinteressen, dass eine Umsetzung unwahrscheinlich ist. Deshalb versucht die Politik nun mit teils gefährlichen Vorschlägen Steuern aus Digitalfirmen zu pressen. Die Ideen:


1. Bürger sollen Daten verkaufen

Was sind Daten? Um diese vermeintlich einfache Frage wird seit Monaten gestritten. Die Kanzlerin hatte in ihrer ersten Regierungserklärung nach der Wiederwahl, Daten als Eigentum zu deklarieren. „Wenn Daten der Rohstoff der Zukunft sind, dann entscheidet die Souveränität des Menschen über diese Daten und damit auch über die Frage des Eigentums und damit der Teilhabe jedes Einzelnen."


Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Internetwirtschaft Eco, warnt vor diesem Weg: „Wenn man sich des Rechts an den eigenen Daten entledigen würde, kommt es zwangsläufig zur Bewertung von Menschen." Um Daten zum Auswerten zu bekommen, müssten Firmen diese den Eigentümern, also den Bürgern, abkaufen - und besäßen im Umkehrschluss jeweils einen Teil der Identität des Verkäufers.


Datenverkauf ist digitaler Organhandel

Ein weiteres Problem: Eine Definition als Sache würde zwangsläufig eine Bepreisung von Daten mit sich ziehen. Die fundamental zu klärenden Fragen führen dann zwangsläufig von „Welches Datum ist wie viel wert?" bis zu „Sind die Daten eines Menschen mehr wert als die eines anderen?". „Das hat gesellschaftlich ein hohes Diskriminierungspotential", sagt Süme.

Fazit: Keine Vorteile für Menschen - der Staat kassiert

Fachkreise sind sich inzwischen einig, dass das Dateneigentum weder ökonomische noch datenschutzrechtliche Vorteile hat. Menschen würden Teile ihrer Onlinepräsenz an den Meistbietenden verscherbeln. Relativ viel Geld ist nicht zu erwarten. Der Staat könnte jedoch davon profitieren, indem er an dieser Schnittstelle Steuern erheben würde.


2. Liken wird zum Job

Forscher des MIT haben Ende vergangenen Jahres einen weiteren Vorschlag in die Diskussion eingebracht. In ihrem Paper mit dem Titel „Should We Treat Data as Labor? Moving Beyond ‚Free'" schreiben die Forscher, dass viele Internetnutzer gar nicht wissen würden, wie wertvoll die Daten wären, die sie bei Facebook oder Google produzieren würden.


Zwar bekämen die Nutzer einen Gegenwert für ihre Datenproduktion, im Fall von Google Suchergebnisse, Navigation oder Videos. Wenn jedoch die Firmen diese Daten darüber hinaus weiterverwenden würden, dann könnte dies als Arbeit klassifiziert werden. Beispiel dafür wäre das Einlernen von Künstlichen Intelligenzen. Zur deren Weiterentwicklung seien unglaublich viele Datensätze nötig, die von Nutzern generiert werden. Dafür könnten Nutzer Geld und Gesetzgeber Steuern verlangen.


Fazit: Lohn ist für Menschen unattraktiv

Laut Zeit Online wäre „der Lohn" aber nicht mehr als ein Taschengeld. Zum Beispiel hat Facebook im vierten Quartal 2017 nur fünf Euro Gewinn pro Mitglied gemacht. Süme wiederum hält diese Diskussion für sehr interessant, jedoch rein akademisch. „Künstliche Intelligenz kann nur durch Daten existieren. Es ist wichtig, erst die ethischen Grundsätze zu diskutieren", fügt er an. Zum PDF-Ratgeber - Mit Strategie zu mehr Geld


3. Das Modell der EU-Kommission

Ein Like sei wirtschaftlich nicht interessant, drei Millionen Likes wiederum sehr, sagt Oliver Süme. „Der Wert liegt in der Aufbereitung und Auswertung und nicht in den Daten selbst", fährt der Daten-Experte fort. Man könne nicht einfach herkömmliche Klassifikationen auf Daten übertragen. Das Dilemma sei: „Zu aller erst sind Daten Einsen und Nullen. Wenn man damit ein Bild oder einen Song überträgt, greift das Urheberrecht. Wenn man damit Nachrichten austauscht, befindet man sich schon wieder auf einem ganz anderen Rechtsgebiet."


Dennoch sind die Vorschläge zur Datenbesteuerung im höchsten Maße relevant. Die Europäische Kommission vermerkt in einem Factsheet zu den gerade geplanten neuen Besteuerungsregeln demonstrativ, „dass der Marktwert von Nutzerdaten oder digitalen Dienstleistungen künftig bei der Zuordnung der Gewinne für Steuerzwecke berücksichtigt werden könnte."


Was ist überhaupt das Problem?

„Aktuell droht bei der Besteuerung von Digitalfirmen weltweit ein wildes Durcheinander von Einzellösungen", sagt Andreas Gerten, Rechtsanwalt und Steuerberaterbei CMS Deutschland. Es sprießen Insellösungen aus dem Boden, mit denen die einzelnen Staaten versuchen, sich ihren Teil abzuholen, erklärt der Experte für internationales Steuerrecht.

Beispiel Facebook: Der Großteil der Einnahmen fließen nach Irland. Werbepartner schließen offiziell einen Vertrag mit der Facebook Limited in Dublin ab. Die Umsätze werden also versteuert, jedoch bekommt Deutschland fast nichts davon ab.


Nun sammelt und wertet aber Facebook, um ihre zielgerichtete Werbung zu schalten, in Deutschland Unmengen an Daten aus. Und davon will auch der Staat etwas abhaben. Das Problem ist: Facebook hat zwar eine „physische Präsenz" in Deutschland. Die Facebook Germany GmbH ist aber lediglich ein Dienstleister für Facebook Ireland. Deren Umsatz wird auch hier versteuert, er ist jedoch marginal.


Gewinne sollen da versteuert werden, wo sie gemacht werden

„Das aktuelle Steuergesetz sieht vor, dass Gewinne in dem Land besteuert werden können, in dem ein Unternehmen tatsächlich tätig ist, etwa indem dort Produkte hergestellt werden", erklärt Gerten. Das funktioniert bei Fabriken hervorragend. Unternehmen mit Produktionsstandorten in verschiedenen Ländern hätten diese Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, um Gewinne fair zu verteilen.

Diese Form der Verteilung von Gewinnen funktioniert aber bei Digitalunternehmen nicht mehr. Ein Algorithmus zur Datenauswertung arbeitet überall automatisch und gleichzeitig. Eine Anwesenheit vor Ort ist nicht mehr erforderlich. Angesichts rasanter Wachstumszahlen in der Digitalwirtschaft sehen daher viele Staaten ihr Steueraufkommen gefährdet. Zum PDF-Ratgeber - Geldanlage: effizient und sicher


Digitalsteuer soll nur große Firmen treffen

Eine Überlegung ist daher, Gewinne von internationalen Konzernen auch in den Ländern besteuern zu können, in denen die Nutzer digitaler Angebote ansässig sind. „Gewinne würden also nicht mehr dort versteuert werden, wo das Produkt hergestellt wird, sondern dort, wo es verbraucht wird", so Gerten. Die Besteuerung würde also von einer Herkunftsland- zu einer Ziellandbesteuerung werden. Der Umsatz, den ein Internetkonzern wie Facebook in Deutschland machen würde, könnte also danach auch in Deutschland besteuert werden. Dies käme einer radikalen Wende des Steuerrechts gleich.


Die EU habe im März einen Vorschlag vorgelegt, der genau dieses langfristige Ziel beinhalte, so Gerten. Neben einer physischen Präsenz eines Unternehmens soll eine digitale Präsenz in die Steuergesetze miteinfließen. „Es soll nur Firmen treffen, die einen signifikanten digitalen Fußabdruck in den jeweiligen Ländern hinterlassen. Definiert würde dies über jährliche Erträge, Anzahl der Nutzer und die Fülle der Werbepartner. So sollen junge Unternehmen geschützt und eine weitere Monopolisierung verhindert werden", erklärt Gerten.


Merkel ist klar gegen EU-Vorschlag

Dies sei jedoch Zukunftsmusik, so Gerten. „Für eine faire Besteuerung ist ein internationaler Konsens über die EU hinaus zwingend notwendig." Jedoch dürften bedeutende Länder, wie die USA und China, kaum Bereitschaft zeigen, etwas ändern zu wollen. Kein Wunder, da sie von diesen Regelungen profitieren. Und auch innerhalb der EU wehren sich zum Beispiel Irland und ausgerechnet Angela Merkel gegen diesen Vorschlag.


Die Kanzlerin glaubt, dass sich dadurch Deutschland seiner eigenen Steuerbasis berauben würde. „Wenn morgen das Auto eine rollende digitale Einheit ist, komm ich in Konflikt mit dem heutigen Unternehmenssteuerrecht. Wenn wir leichtfertig die virtuelle Betriebsstätte nehmen, wollen die Chinesen künftig auch etwas von der VW-Steuer, weil VW dort produziert", sagte Merkel der Wirtschaftswoche.


Experte: Internationaler Konsens zwingend notwendig

Gerten findet: „Die aktuellen Prinzipien zur internationalen Besteuerung von Unternehmensgewinnen gehen zurück auf einen Konsens, der vor fast 100 Jahren gefunden wurde. Bemühungen der Steuergesetzgeber mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten sind verständlich." Jedoch würden so viele Einzelinteressen kollidieren, dass eine Einigung in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. „Ein internationaler Konsens ist aber zwingend erforderlich. Bei fehlender Harmonisierung drohen Doppel- oder gar Mehrfachbesteuerung. Dies wäre ein Rückschritt, kein Fortschritt."


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