Er leitet die Filiale am Breitenweg 3: Andreas Jordan. Der 38-Jährige ist Geschäftsführer seit 2014.
Erwartungsvoll schaut Thorsten auf Maria Rezende. Sie arbeitet im Leihhaus Jordan am Breitenweg 3. Rezende tippt Zahlen in einen Taschenrechner. Thorsten hofft auf 2000 Euro. Die Schätzung für seine beiden Schmuckstücke aus Gold steht noch aus. „Ich könnte Ihnen für den Armreif und das Armband insgesamt 1890 Euro geben", schlägt sie ihm vor. „Sie können nicht 2000 Euro glatt machen?", fragt der 47-Jährige nach. Die Schätzerin schüttelt den Kopf. „Dann ist auch okay", sagt er. Rezende rundet die Summe noch auf und zahlt ihm insgesamt 1900 Euro aus. Der Nordbremer lächelt, er ist zufrieden.
Dass Thorsten ins Leihhaus geht, wissen nur seine engsten Familienangehörigen. „Es fragt aber auch keiner", sagt er. Seinen richtigen Namen möchte Thorsten dennoch nicht in der Zeitung lesen. Das überrascht Andreas Jordan nicht. Er leitet das Geschäft am Breitenweg. „Die Scham, mit Name und Bild in einer Zeitung öffentlich preiszugeben, dass man hier herkommt, ist noch da", sagt der Geschäftsführer.
Leihhäuser in Deutschland haben mit ihrem Image zu kämpfen. Ein Leihhaus-Betreiber aus München verglich das Geschäft mal mit einem Bordell: „Millionen gehen hin, aber erfahren soll es möglichst keiner." Pfandleiher wie Jordan arbeiten seit Jahren daran, dass ihre Branche aus diesem Hinterhofimage herauskommt. Er ist sich sicher, dass dies auch gelungen ist. „Wir sind nicht mehr das kleine schäbige Geschäft, wie man das in Filmen noch so sieht", sagt Jordan. „Die Läden sind nicht mehr im äußersten Stadtteil in der dunklen Ecke."
Bis zu 150 Kunden am TagSeine Filiale liegt gleich neben dem zentralen Omnibusbahnhof (ZOB). Von außen ähnelt der Laden am Breitenweg einem Juweliergeschäft. Im Schaufenster funkeln goldene Ringe und Ketten. Im Inneren sieht es aus wie in einer Bank. An den drei Schaltern trennt eine dicke Trennglasscheibe Kunden und Pfandleiher voneinander. „Für viele Kunden ist es so normal wie der Gang in den Supermarkt", sagt Jordan. Das sei früher anders gewesen. Seit 2001 arbeitet der 38-Jährige in der Branche. Er erinnert sich an seine Anfänge. „Mir hat mal ein Kunde erzählt, dass er sich mit einem Schnaps Mut antrinken musste, um überhaupt in den Laden zu kommen. Solche Geschichten gibt es heute gar nicht mehr."
Am Tag kommen bis zu 150 Kunden in das Geschäft am Breitenweg, das es seit Juli 2010 gibt. Jordans Familie betreibt das Gewerbe seit 1968. Weitere Leihhäuser hat sie in der Friedrich-Ebert-Straße, in Delmenhorst und in Kiel. Die Filiale am Breitenweg sei vor allem am Monatsanfang und -ende gut besucht, sagt Andreas Jordan. „Zu Beginn des Monats holen die Leute ihre Sachen wieder ab." Jordan lebt insbesondere von seinen Stammkunden. Sie machen drei Viertel aller Kunden aus. In seiner Klientel sei „wirklich alles dabei": vom 18-jährigen Auszubildenden, der sein Smartphone ins Leihhaus bringt, bis zum Rentner, der seine kurzfristigen finanziellen Probleme überbrücken muss, indem er seinen golden Ring als Pfand zurücklässt.
Die Kunden sind oft gar nicht arm. Sie kommen in der Regel aus der Mittelschicht - so wie Thorsten. Der selbstständige Immobilienkaufmann möchte mit den 1900 Euro aus dem Leihhaus die Zeit überbrücken, bis seine Kunden seinen Forderungen nachkommen. „Wenn ich 60 Tage auf mein Geld warten muss, habe ich einen Engpass", erklärt der Unternehmer. „Ende April gibt es wieder Geld." Thorsten verpfändet zum dritten Mal Teile seines Hab und Guts. „Ich brauche das hier zum Glück auch nicht so häufig", sagt er. Er finde Leihhäuser praktisch. Sie seien für Privat- und Geschäftsleute eine gute Möglichkeit, schnell an Geld zu kommen. „Und hier geht es sehr einfach. Die Zinsen sind sehr moderat."
1500 Verträge monatlichMit Zinsen und Gebühren, die gesetzlich festgelegt sind, verdienen Pfandleihhäuser ihr Geld. Der schnelle Kredit hat seinen Preis: Der Kunde zahlt pro Monat ein Prozent Zinsen für das Darlehen. Dazu kommen Gebühren, die sich nach der Höhe der Leihsumme richten. Bei einem Darlehen von 100 Euro muss der Kunde im Leihhaus Jordan 3,50 Euro Zinsen und Gebühren monatlich zahlen. Die durchschnittliche Kredithöhe im Leihhaus am Breitenweg liegt laut Andreas Jordan bei 350 Euro. Monatlich werden in seiner Filiale 1500 Verträge abgeschlossen. Drei Monate hat der Überbringer Zeit, die Gegenstände abzuholen. Lässt der Kunde die Vertragslaufzeit verstreichen, ohne den Vertrag nach Begleichung der angefallenen Zinsen und Gebühren um weitere drei Monate zu verlängern, gibt es einen Monat Karenzzeit. Ab dem fünften Monat dürfen die Wertsachen versteigert werden. Soweit kommt es aber meistens nicht. „Über 90 Prozent der Kunden lösen ihre Sachen wieder ein", sagt Jordan.
Die nächste öffentliche Auktion, bei der Wertsachen wie Schmuck und Uhren unter den Hammer kommen, ist am Mittwoch, 6. Juni, um 14.30 Uhr im Konsul-Hackfeld-Haus in der Birken-straße 34. Sollte bei der Versteigerung der tatsächliche Verkaufserlös eines Pfandes den beliehenen Wert übersteigen, profitiert nicht das Leihhaus. Das Geld steht drei Jahre lang dem Kunden zu. Verzichtet er darauf, fließt der Mehrerlös in die Bremer Staatskasse. Jordan: „Das Gros der Ware erzielt aber keinen Überschuss."
Wer seine Wertgegenstände im Leihhaus verpfänden möchte, braucht lediglich seinen Personalausweis und muss volljährig sein. Anders als bei einem Bankkredit, wird weder ein Gehaltsnachweis verlangt noch findet eine Schufa-Überprüfung statt. „Ein Pfandleihkredit lohnt sich für denjenigen, der schnell Bargeld braucht und auch weiß, dass er ihn schnell wieder begleichen kann", erklärt Jordan.
Technik bleibt nicht lange liegenSeine Kunden bringen vor allem Gold ins Leihhaus. „Es ist zum Dauerrenner in den letzten zehn bis 15 Jahren geworden", sagt Jordan. Gold- und Brillantschmuck, Goldbarren und -münzen sowie Armbanduhren und Silberschmuck machen das Hauptgeschäft aus. Auch Unterhaltungselektronik wird gebracht. Kleidung, früher noch üblich, werde nicht mehr angenommen, sagt er.
„Wir zahlen bei Gold bis zu 90 Prozent des Materialwerts", erklärt Jordan. Bei Brillanten sei der Erfahrungswert entscheidend, zu welchem Preis sie im Geschäft Abnehmer finden könnten. Bei Uhren spielen Zustand, Marke und der Gebrauchtwarenpreis eine Rolle. Unterhaltungselektronik ist vom Wertverlust abhängig. Das Leihhaus Jordan nimmt technische Geräte erst ab einem Neupreis von mindestens 200 Euro entgegen. Dafür erhalten die Kunden ein Darlehen von 20 bis 30 Prozent.
Lange lassen die Kunden ihre Smartphones und Spielekonsolen nicht in der Filiale am Breitenweg zurück. Jordan: „Das ist echt erstaunlich kurz. Manchmal sind es wirklich nur ein bis zwei Wochen." Das trifft auch auf Sabrina zu. Vor etwa zwei Wochen hat sie ihr iPad ins Geschäft von Andreas Jordan gebracht. An diesem Tag holt sie ihr Tablet wieder ab. „Ich brauchte damals dringend das Geld", sagt die 31-Jährige, die die Anonymität im Leihhaus Jordan schätzt. „Hier ist das nicht so anstrengend wie in anderen Leihhäusern. Hier wird kaum nachgefragt." Ein Leihhaus ist für Sabrina aber eine „absolute Notlösung". Auch sie möchte ihren richtigen Namen nicht nennen. Die 31-Jährige schäme sich jedoch nicht, ins Leihhaus zu gehen. „Man gibt hier lediglich seine eigene Ware ab und bekommt dafür Geld. Ich schnorre mich ja nicht durch."